DOMMRADIO.DE: Pfarrer Ploch, Sie haben 2020 angefangen, Seelsorge-Spaziergänge mit Hund anzubieten. War das vor dem Hintergrund von Corona und Lockdown, als sich viele Menschen einsam fühlten und wir außer Spazierengehen sowieso nicht all zu viel machen konnten?
Pfarrer Oliver Ploch (Bad Godesberg): Ja, genau so ist das entstanden. Ich hatte schon mal gehört, dass auch eine andere Kollegin so eine Idee hat. So ganz außergewöhnlich ist das nicht. Und weil er immer so lieb auf Menschen reagiert, wenn sie an der Haustür klingeln, habe ich gedacht, dass ich Spaziergänger anbiete. Ich hätte auch gar nicht mehr so viel zu tun und plötzlich, in der Corona-Zeit: Menschen hatten Sorgen und Ängste für Seelsorge in meinen geschlossenen Raum zu kommen. Da ist das natürlich eine optimale Möglichkeit gewesen.
DOMMRADIO.DE: Welche Türen kann das Tier denn öffnen, wo Sie als Seelsorger vielleicht manchmal an Ihre Grenzen kommen?
Ploch: Ja, das ist eine gute Frage. Aber ich glaube, mein Hund, der hat ja immer so ein besonderes Wesen. Im Falle von Musti ist das auch wenig angsteinflößend. Er ist ein kleiner Hund mit einem hellen Fell und er schafft so eine lockere Atmosphäre. Und dann ist man erst mal auf etwas anderes konzentriert als auf die schwierigen Themen, die dabei ganz automatisch sowieso kommen, wenn der Spaziergang losgeht, man da im Gehen auch auf sich fokussiert ist und dann wird aus der Niederschwelligkeit heraus plötzlich dann doch was Tiefergehendes thematisiert. Das hat mich überrascht und hat mir selber Freude gemacht.
DOMMRADIO.DE: Wie wird das Angebot denn angenommen? Was haben Sie für Resonanzen bekommen?
Ploch: Ja, ich habe da einen launigen Artikel im Gemeindebrief geschrieben, und dann war ich überrascht von der großen Anfragezahl. Obwohl längst die Menschen wieder in das normale Gespräch kommen können, wird das dann manchmal noch gewünscht, einfach weil es ihnen Freude macht. Und man hat nicht die Verpflichtung, gleich mit dem Riesenproblem anzufangen. Man hat durch das Augenzwinkern auch gewusst, man kann einfach so mal sich mit dem Fahrrad treffen und dann die Gelegenheit nutzen.
DOMMRADIO.DE: Und Musti macht da immer brav mit oder interessiert er sich auch mal mehr für die Hasen im Park?
Ploch: Ja, er ist kein Zirkuspferd, er ist nicht dressiert. Er ist auch nicht wie zum Beispiel Schulhunde mit einer Zertifizierung versehen. Also er darf auch mal Unsinn machen und das wird auch geliebt von mir denen, die mit ihm gehen.
DOMMRADIO.DE: Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Ploch: Na ja, weil ich das einfach spüre, er ist auch sonst im Pfarrhaus immer gegenwärtig, auch bei manchen Trauergesprächen oder anderen Gelegenheiten, wenn ich ihn im Altenheim dabei habe oder im Kindergarten, dann ist er natürlich immer ein sehr geliebter Gesprächspartner. Da muss man manchmal aufpassen, dass er nicht alle Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Aber dann war mir schon bewusst, welche Türen er auch in der Seele der Menschen öffnet. Und dann war das eine naheliegende Idee in der Corona-Zeit vor allem mit diesen Spaziergängen in ganz besondere Weise.
DOMMRADIO.DE: Aber auch jetzt, wo Corona ja zumindest eine kleine Pause einlegt oder zumindest die Zahlen niedriger sind als noch vor einigen Monaten, ist Musti fester Bestandteil Ihrer Seelsorgearbeit?
Ploch: Vielleicht kann man das so sagen. Er lebte schließlich mit mir und bei mir. Und dann nehme ich ihn auch mit, auch weil ich allein im Pfarrhaus bin. Um ein Beispiel zu nennen, was mich dann auch sehr gerührt hat: Wenn er zum Beispiel im Altenheim ist, bei einer Person habe ich das vor Augen, erst vor kurzer Zeit, die demenzkrank ist und gar nicht mehr so ins Gespräch gehen kann.
Und dann ist die Hundebegegnungen eben so, dass die alte Dame den Hund gestreichelt hat. Und dann strahlte ein Lächeln über ihr Gesicht, weil sie seit langer Zeit nichts mehr selber sagen konnte, und dann war da im Namen ihres Hundes, der vor langer Zeit verstorben war, ein frohes Glücksgefühl. Das hat mich doch berührt. Also, jemand, der seit langer Zeit nicht mehr sprechen konnte, den hat ein Hund zum Sprechen gebracht.
