Hungerkrise und die Suche nach Lösungen

Die H-Frage

Angesichts der weltweiten Lebensmittelkrise geht auch in der westlichen Welt die Suche nach Lösungen weiter. Die Bundesregierung setzt nun auf einen Neun-Punkte-Plan, Hilfsorganisationen plädieren für einen Agrar- und Ernährungswende.

 (DR)

"Die Lösung liegt nicht darin, dass wir im Norden Überschüsse produzieren und diese dann erneut zu billigen subventionierten Preisen in die Entwicklungsländer schicken", betonte die Vorsitzende der der Welthungerhilfe, Ingeborg Schäuble. Der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Hans-Joachim Preuß, forderte Beschäftigungsprogramme in armen Ländern. "Man muss Kaufkraft schaffen, damit Arme die normalen Preise zahlen können", sagte Preuß. "Nur die Leute füttern, bringt nichts."

Die Direktorin des evangelischen Hilfswerks "Brot für die Welt", Cornelia Füllkrug-Weitzel, forderte eine Abkehr von der westlichen Art der Ernährung. "Es können nicht alle so essen wie wir", sagte sie der "Stuttgarter Zeitung". Die Aufzucht von Vieh benötige zu viel Fläche und Getreide. Zugleich warnte sie vor einer "Neiddebatte" im Blick auf die erhöhte Nachfrage nach Lebensmitteln in Asien. Diese dürfe man nicht überschätzen.

Entwicklungsministerin fordert Moratorium für Biosprit
Beim Thema Biosprit fordert Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul,
die Erhöhung der Beimischung von Biosprit zu herkömmlichem Benzin so lange auszusetzen, bis praxistaugliche Technologien gefunden seien, die effizienter als Agrartreibstoffe seien.

Nach Erkenntnissen des Internationalen Forschungsinstituts für Ernährungspolitik in Washington verursachte die Nachfrage nach Biosprit im vergangenen Jahr einen Preisanstieg bei Getreide um 25 Prozent. Der Generaldirektor des Instituts, Joachim von Braun, schloss sich daher der Forderung nach einem Moratorium an.

Konventionelle Methoden statt Gentechnik
Neben der Stärkung von Kleinbauern in den Entwicklungsländern müsse ferner die Agrarforschung verstärkt werden. Wieczorek-Zeul sprach sich zudem für den endgültigen Abbau von Agrarexportsubventionen aus, um die Märkte zu beruhigen. Aus diesem Grund müssten auch Exportverbote verhindert werden.

Joachim von Braun zufolge stoppten inzwischen mehr als 20 Entwicklungsländer ihre Nahrungsmittelexporte, um die eigene Bevölkerung versorgen zu können. Damit kämen neue Verzerrungen in den Weltmarkt. "Die Entwicklungsländer fügen sich gegenseitig großen Schaden zu." Braun plädierte für den Einsatz von Gentechnik und Biotechnologie, um die Erträge in der Landwirtschaft zu steigern.

Solche Forderungen stellt der Evangelische Entwicklungsdienst stellt in Frage. Eine "Modernisierung der Landwirtschaft um jeden Preis" löse das hungerproblem nicht. "Wir vertrauen nicht auf Agrarchemie, Laborwissenschaften und Gentechnik", betonte Rudolf Buntzel, Beauftragter für Welternährungsfragen. Stattdessen müsse standortgerecht produziert werden.

Kann grüne Gentechnik die Lösung sein? Der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Hans-JoachimPreuß, warnt vor der Illusion, dass Gentechnik zu einer Produktivitätssteigerung und damit zu höheren Einkünften bei den Bauern führen könnte. Weitaus effektiver wäre es, konventionelle Methoden wie bereits entwickelte Sorten und verbesserte Bewässerungssysteme zu nutzen.

Seehofer: Nahrungsmittelkonzerne erpressen Entwicklungsländer
Neben den üblichen Bedenken hat die grüne Gentechnik den großen Nachteil, dass sie die Bauern abhängig macht, von den großen Konzernen. Bundesverbraucherminister Horst Seehofer (CSU) hatte daher in der vergangene Woche massive Kritik an der internationalen Nahrungs- und Futtermittelindustrie geübt. "Denen geht es in erster Linie doch um eine Gewinnmaximierung und nicht um die Versorgung der Menschen", sagte Seehofer der Zeitung "Bild am Sonntag". "Es kann doch nicht sein, dass in den USA im wesentlichen nur noch ein Konzern Saatgut anbietet. Die Landwirte dort werden doch erpresst und die Entwicklungsländer auch."

Seehofer sagte wörtlich: "Die großen Konzerne und Finanzanleger beherrschen die Szene und denen muss man in die Parade fahren. Wir brauchen hier keine industrielle, sondern eine bäuerliche Landwirtschaft." Der Minister verwies auf Prognosen, nach denen die Preise für Futtermittel "um 600 Prozent steigen, weil es Futtermittelknappheit gibt. Dahinter steht das Interesse der Konzerne, ihren genveränderten Sojamais zu verkaufen".

Zugleich verteidigte Seehofer die Nutzung von Bioenergie: "Weltweit gibt es 42 Millionen Quadratkilometer landwirtschaftlicher Nutzfläche, von denen 15 Millionen tatsächlich genutzt werden. Und nur auf einem Prozent dieser Fläche wachsen Rohstoffe für Biosprit. Er kann also nicht für die aktuellen Probleme verantwortlich gemacht werden."

Seehofer äußerte sich besorgt über die Vernichtung von Regenwäldern für Biosprit und forderte eine Regelung der EU. EU-weit sollte die Anrechnung von Biosprit auf die Kraftstoffquote nur dann zulässig sein, wenn die Rohstoffe für den Biosprit nicht aus gerodeten Urwäldern stammen.

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