Ich wollte nicht sterben, bevor ich nicht ich geworden war

Ende gut. Alles gut.

Ewig habe ich die Heilpädagogin Brigitte Bialojahn nicht gesehen. Nur, sie heißt jetzt: Bennet.

 (DR)

Dass ich bei einer Moderation zum Thema sexuelle Gewalt in der katholischen Kirche eine alte Bekannte wiedertreffe, die bei der Beratungsstelle Zornröschen arbeitet und in der katholischen Kirche seit Jahren Präventionsschulungen macht, hatte ich gehofft.  Warum aber stand da ein Männername?

Im Internet finde ich mehr, denn Brigitte hat auch Krimis geschrieben. Aber – der letzte Krimi ist unter dem Namen Bennet erschienen. Was ist passiert?

Passiert ist, dass für Bennet die Dinge endlich in Ordnung gekommen sind. Die kleine Brigitte war vier, als sie das erste Mal dachte, irgendwas stimmt nicht mit mir. Was, wusste sie nicht. Nur, dass sie ein Mädchen war, sich aber nicht so fühlte.

Als die kleine Brigitte diese Erkenntnis hatte, brachen gerade mal erst die 60er Jahre an. Ihrer Familie konnte sie nicht anvertrauen, was sie selber nicht verstand.

Heute weisen alle Untersuchungen darauf hin, dass Transsexualität angeboren ist. Viele mögliche Ursachen scheint es zu geben, die auf das Wachsen des Embryos so Einfluss nehmen, dass die Geschlechtszuweisung eine andere ist, als die Geschlechtsidentität.

Denn darum geht es, sagt Bennet heute: Um Identität. Nicht um Sexualität. Der Heilpädagoge hat Glück gehabt, findet er. Er lernte eine Frau kennen, die ihn auch vor Jahrzehnten schon verstand und so nahm, wie er war: als Brigitte, die in Wirklichkeit ein Mann war.

Viele Jahre musste das reichen, sagt Bennet heute. Aber dann kamen die Wechseljahre. Das Leben wurde nochmal auf den Kopf gestellt und plötzlich war da der Gedanke: Ich will nicht sterben, bevor ich nicht ich geworden bin.

Mit seiner Frau an der Seite, ging es dann schnell.  Bis zum 60. Geburtstag war aus Brigitte Bennet geworden. Eine englische Form von Benedikt: „Der Gesegnete, das passt“, sagt Bennet. „Ich bin so dankbar.“  

Mich rührt das große Leid in dieser Erzählung. Und ich frage mich:  wenn das Leid der Gutachten, Operationen, Hormone und all der Reaktionen in der Familie, die Brigitte auf sich nimmt, um Bennet zu werden, der Ausweg, das kleinere Leid sind – wie groß war dann das Leid von Brigitte?

Ich staune über den Mut von Brigitte. Und von Bennet.

Und darüber, dass unsere Gesellschaft sich so geöffnet hat, so menschlich wird. Wie wunderbar.