Im Atelier eines Wuppertaler Malers werden Schulabbrecher für den Unterricht fit gemacht

Kunst macht Lust aufs Lernen

Es ist sehr schwierig, Jugendliche, die einmal die Schule abgebrochen haben, wieder in den Unterricht zu schicken. Etwa 80.000 junge Erwachsene beenden jedes Jahr die Schule ohne Zeugnis. Die meisten von ihnen werden zu Hartz-IV-Empfängern. Hartmut Kies von der Ausbildungsvermittlung der Wuppertaler Arbeitsagentur begleitet eine fünfmonatiges Kunstprojekt. Die schulmüden Jugendlichen sollen über die Kunst erreicht werden, um dann auch wieder zu lernen - mit Erfolg.

 (DR)

Konzentrierte Stille herrscht im Atelier des türkischen Künstlers Ismail Coban in Wuppertal. Nur das leise Kratzen von Nadeln ist zu hören, mit denen sechs Jugendliche die Konturen ihrer Zeichnungen nachbearbeiten. Dicht gedrängt sitzen sie an Tischen rund um die Druckerpresse, die aus ihren Zeichnungen ein kleines Kunstwerk machen soll.

Als Coban das Bild des 22-jährigen Massimo aus der Presse zieht, ist der junge Mann enttäuscht. Seine Science-Fiction-Figur, ein intergalaktischer Krieger mit Rüstung und Scherenhänden, sieht ganz anders aus als die Vorlage aus dem Internet. Kunstlehrer Coban dagegen ist begeistert: "Es ist wunderbar geworden", lobt er seinen Schüler. "Du warst richtig kreativ und hast etwas Eigenes geschaffen und genau das ist Kunst."

Künstler ist begeistert
Von den sechs Jugendlichen ist der international bekannte Künstler begeistert. Er bezeichnet sie als Musterschüler. Nicht weil sie besonderes Talent zeigen, sondern weil sie eifrig zuhören, ausprobieren und sich nicht entmutigen lassen. Das war bislang anders. Keiner der Jugendlichen hat es im Unterricht lange ausgehalten. Fast alle haben die Schule spätestens mit 16 Jahren ohne ein Abschlusszeugnis verlassen. Im Atelier soll ihnen in einem bundesweit einmaligen Projekt wieder Lust aufs Lernen gemacht werden.

Seit August kommen die Schüler jeden Werktag in das Atelier. Dort unterrichtet Coban sie gemeinsam mit zwei weiteren Künstlern sechs Stunden lang. Anschließend essen sie zu Mittag, schmieden Zukunftspläne und üben auch mal, ihre Interessen am Telefon zu vertreten. "Wir wollen ihnen helfen, sich wieder für ihre eigenen Ziele einzusetzen", sagt der 62-jährige Künstler. Die Teilnehmer sollen erkennen, dass es Spaß macht, Neues zu lernen, und dass der Schulabschluss kein unerreichbares Ziel bleiben muss.

Erste Erfolge sichtbar
"Wir wollen die Jugendlichen behutsam an die Schule heranführen", sagt Kies. "Deshalb gibt es an zwei Stunden in der Woche auch Mathematik- und Deutschunterricht." Die Jugendlichen hätten nicht erwartet, dass ihnen der Unterricht im Atelier so viel Spaß macht.
"Ich habe mich einfach aus Neugierde angemeldet", erzählt Massimo. "Bis jetzt ist es die beste Maßnahme, die ich mitgemacht habe." Künstler wolle er nicht werden. "Aber ich werde meinen Hauptschulabschluss nachholen", sagt er. "Die nötigen Unterlagen habe ich schon kopiert."

Der 23-jährige David hat sich dagegen mehr vorgenommen. Er will sogar Fachabitur machen und danach Kunst studieren. Dabei ist Ismael Coban für ihn ein besonderes Vorbild. "Er kann wunderbar malen und hat, auch wenn es schwierig für ihn wurde, nie aufgegeben."