DOMRADIO.DE: Wie kommt man auf die Idee, sich mit Staub zu beschäftigen?
Wolfgang Stöcker (Leiter des Deutschen Staubarchivs in Köln): Ich tue das ja unter dem Kunst- und Kulturaspekt. Und auch in der Naturwissenschaft ist Staub ja ein Thema: Debatten wie Feinstaub hören wir ja täglich im Radio. Wenn man mal ein bisschen darüber nachdenkt, beschäftigt sich jeder mit Staub - und sei es nur, weil er zuhause saugt. Staub ist also ein durchaus wichtiger Stoff.
DOMRADIO.DE: Was kann man sich unter dem Deutschen Staubarchiv vorstellen?
Stöcker: Das ist ein Archiv, das Staub an verschiedenen Orten sammelt. Angefangen hat das 2004 und die erste Probe kommt tatsächlich aus dem Kölner Dom. Im Archiv gibt es Unterteilungen in verschiedene Staubsorten. Die Kirchen, Orte religiöser Verehrung, bilden die sakralen Stäube. Es gibt aber auch Kulturstäube und politische Stäube, aus Parlamenten zum Beispiel.
Am Anfang des Sammelns war das auch so ein kleines Augenzwinkern, zu schauen, was passiert, wenn ich die Zuständigen des Bauwerks, hinter dem eine riesige Bedeutung steckt, anschreibe und mir etwas erbete, das im Grunde das totale Gegenteil dieser großen Bedeutung ist. In dem Spannungsfeld hält sich das Sammeln von Staub auf.
DOMRADIO.DE: Was sagt Ihnen denn der Staub über einen Ort wie den Kölner Dom?
Stöcker: Der Dom zum Beispiel hat viel Staub zu bieten, weil sich aufgrund seiner Bauform - kannelierte Säulen und Baupfeiler - dort viel Staub finden lässt. Wir haben den Staub auch mal für eine Ausstellung 2010 mit dem Mikroskop untersucht und im Domstaub finden sich zum Beispiel fossile Algen aus der Sahara. Die wehen von der Sahara bis hierher und der Dom steht wie ein Kamm im Wind und fängt solche fossilen Algenpartikel auf.
Ich finde aber auch, dass der Staub die Möglichkeit bietet, dieses riesige Gebäude auf einer ganz anderen Ebene darzustellen: Ich habe einen Teil des Doms in einer kleinen Archivtüte, archiviere und nummeriere diesen Teil.
DOMRADIO.DE: Stellen Sie an einzelnen Staubflusen eigentlich Unterschiede fest?
Stöcker: Ja, es gibt ja die klassische Wollmaus. Die sieht überall relativ gleich aus. Wenn ich aber Steinstaub habe - oder feinen Sand, wie ein Geologe sagen würde -, dann sehe ich an der Farbe Unterschiede. Der Kölner Dom hat zum Beispiel eine gräulich bis weiße Farbe. Der Speyerer Dom hat einen rötlichen Stein, dann ist der Staub eher so beige-rot.
DOMRADIO.DE: Was sagen Ihnen die Stäube aus den Kathedralen und Kirchen?
Stöcker: Für mich sind die Geschichten, die dahinter stecken, sehr spannend. Ich habe zum Beispiel mal den Erfurter Dom angeschrieben. Und da kam die Rückfrage, ob ich Langhaus- oder Querhaus-Staub haben möchte. Ich habe mir dann Staub aus dem Einhornaltar erbeten. Aus diesem kunstgeschichtlich sehr bedeutenden Altar habe ich dann eine Fluse bekommen. Der Staub sagt mir auch etwas im Bezug zu dem Gegenstand: Dass er zum Beispiel gereinigt wird und es manchmal gar nicht einfach ist, Staub zu finden. Aus dem Hildesheimer Dom habe ich einen ganzen Beutel voll. Das ist Jahresstaub, den man mir da geschickt hat.
DOMRADIO.DE: Im Kölner Dom haben wir die Heiligen Drei Könige. Was sagt uns Reliquien-Staub?
Stöcker: Für mich ist das ganze Staub-Sammeln sehr mit dem Reliquien-Gedanken verknüpft. Weil man das Gefühl hat, von etwas ganz Großem einen Teil zu haben. Die Staubpartikel sind natürlich keine Reliquien, aber es hat so eine Anmutung davon. So eine Reliquie hat ja die Faszination, dass es ein Teil eines Individuums ist. Mit dieser Vorstellung spielt das Staub-Sammeln sehr stark.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.