Für das Jubiläumsfest haben sich die Verantwortlichen ausgerechnet eine Region gewählt, die als eine der entchristlichsten Deutschlands gilt: Der 100. Deutsche Katholikentag findet vom 25. bis 29. Mai im sächsischen Leipzig statt. Katholiken stellen hier nur knapp vier Prozent der Bevölkerung. Das Motto des Großevents, bei dem sich die Kirche mit ihren Verbänden und Institutionen über mehrere Tage der Öffentlichkeit präsentiert, lautet diesmal: "Seht, da ist der Mensch". Es sei ein Leitwort, das ebenso als Überschrift für die gesamte Katholikentagsgeschichte dienen könnte, urteilt der neue Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und damit Vorsitzende der Katholikentagsleitung, Thomas Sternberg.
Die Geschichte der Katholikentage reicht ins Revolutionsjahr 1848 zurück. Am 23. März 1848 wurde in Mainz der "Pius-Verein für religiöse Freiheit" gegründet. Ein halbes Jahr später tagte dort die erste Generalversammlung neugegründeter katholischer Vereine, die sich zum "Katholischen Verein Deutschlands" zusammenschlossen. Dieses Treffen ging als erster Katholikentag in die Geschichte ein.
Engagierte Christinnen und Christen hätten es damals als ihre Aufgabe gesehen, an der Gestaltung des Gemeinwesens mitzuwirken und für die eigenen Belange einzutreten, so Sternberg. Damit war die Zielrichtung vorgegeben, von der immer wieder Impulse ausgingen, etwa für die Entwicklung einer katholisch-sozialen Bewegung oder für den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg.
Politische Streitfragen in den 80ern, neuer Aufbruch 2012
In der NS-Zeit gab es keine Katholikentage. Das 1933 geplante Treffen im oberschlesischen Gleiwitz wurde abgesagt, nachdem Preußens Ministerpräsident Hermann Göring es von einer "Treueerklärung für Führer und Reich" abhängig gemacht hatte. 1948 fand in Mainz der erste Nachkriegs-Katholikentag statt.
Es gab von innerkirchlichem Streit geprägte Katholikentage, etwa 1968 in Essen und 1970 in Trier. Mit dem Slogan "Einen neuen Aufbruch wagen" für Mannheim 2012 war die innerkirchliche Reformdebatte nach dem Missbrauchsskandal erneut im Zentrum der Katholikentage angekommen. In anderen Jahren kreisten die Treffen eher um politische Streitfragen: Friedensbewegung und Anti-Atom-Protest hatten in den 1980er Jahren auch bei Katholiken Hochkonjunktur.
Gespräch mit Konfessionslosen in Leipzig im Mittelpunkt
Veranstalter der Katholikentage ist zusammen mit dem ZdK immer ein gastgebendes Bistum; in diesem Jahr: Dresden-Meißen. Über 80.000 Teilnehmer kamen zuletzt 2014 zum 99. Katholikentag nach Regensburg und besuchten die mehr als 1.000 Veranstaltungen. In Leipzig hoffen die Veranstalter auf ebenso viele Gäste zum Jubiläum. Gleichwohl dürfte es schwierig werden, zum einen durch die Diaspora-Situation, zum anderen findet der Katholikentag nicht wie sonst meistens am Christi-Himmelfahrts-Wochenende statt, sondern über Fronleichnam, der in vielen Bundesländern kein Feiertag ist.
Katholikentage in Ostdeutschland sind eher eine Seltenheit: 1990 fand der 90. in der noch geteilten Stadt Berlin mit einer DDR statt, in der es erstmals demokratische Wahlen gegeben hatte. Kurz darauf war Dresden 1994 Austragungsort und thematisierte die großen Herausforderungen der Einheit. Und nun Leipzig. Dort soll ein Schwerpunkt auf dem Dialog mit Konfessionslosen liegen - ein Thema, das für die Kirche immer wichtiger wird.
Frage nach der Menschenwürde als verbindendes Element
Ein Novum ist, dass alle ostdeutschen Bistümer gemeinsam an der Gestaltung mitwirken und nicht nur die gastgebende Diözese. Zugleich zeigt sich, dass die staatliche Unterstützung für das Kirchenevent keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Erst nach monatelanger Kontroverse hat der Rat der Stadt Leipzig, die mit 700 Millionen Euro verschuldet ist, die vom ZdK beantragte eine Million Euro bewilligt. Insgesamt sind für das Jubiläum in Leipzig 9,9 Millionen Euro veranschlagt, davon 4,5 Millionen aus öffentlichen Geldern.
Inhaltlich will der Jubiläums-Katholikentag "die dringlichen Aufgaben unserer von starken Umbrüchen geprägten Zeit ausloten". Themen sind technologisch-medizinische Entwicklungen und die Globalisierung ebenso wie die Flüchtlingsströme und Terrorismus oder aber Big Data. Alle verbindet dabei im Kern die Frage nach der Menschenwürde.