Im Mittelpunkt beim Bundesparteitag in Köln stand der Klimaschutz

Grüne debattieren über Grundeinkommen

Die Grünen wollen ihr Profil in der Sozialpolitik schärfen. Auf der Bundesdelegiertenkonferenz in Köln trat Tübingens Grünen-Oberbürgermeister Boris Palmer am Sonntag für ein Grundeinkommen ein. Die Realität von "Hartz IV" entspreche nicht
seiner Vorstellung von eine menschenwürdigen Gesellschaft, sagte er. Ein monatliches Grundeinkommen würde Verbesserungen für die
Betroffenen bringen. Es werde auch niemand aufhören zu arbeiten, wenn er eine solche staatliche Leistung erhalte. Bei den Vorstandswahlen am Samstag hatte es keine Überraschungen gegeben, Künast und Bütikofer wurden als Vorsitzende im Amt bestätigt.

 (DR)

Kritiker warnten hingegen davor, dass durch die Zahlung eines Grundeinkommens sozial Schwache mit ihren Problemen allein gelassen werden könnten. Geld sei schließlich kein Ersatz für eine soziale Infrastruktur. "Die Gesellschaft darf sich nicht freikaufen", mahnte Hessens Grünen-Chef Matthias Berninger.

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt ergänzte, zur sozialen Sicherheit gehörten auch Bildungschancen für alle. Sie warnte zudem davor, dass durch ein
Grundeinkommen Frauen zum Verzicht auf eine Berufstätigkeit gedrängt
werden könnten.

Die Grünen wollen nach breiter Diskussion im Verlaufe eines Jahres klären, ob sie für eine Grundsicherung nach Bedürftigkeit oder für ein monatliches Grundeinkommen für alle eintreten. Eine Entscheidung soll auf einem Parteitag im November 2007 fallen. Bis dahin wird eine Kommission «abstimmungsfähige Entscheidungsalternative» erarbeiten.

Auf dem Delegiertentreffen in Köln bekräftigten die Grünen zugleich ihre Forderung nach Einführung eines Mindestlohns. Die Partei will ferner Verbesserungen für "Hartz IV"-Empfänger. So soll der Regelsatz dynamisiert und der Inflation angepasst werden.

Keine Überraschungen bei Neuwahl der Führungsgremien
Die Grünen-Vorsitzenden Reinhard Bütikofer und Claudia Roth bleiben für zwei weitere Jahre im Amt. Beide mussten aber am Samstag ihr bisher schlechtestes Wahlergebnis als Parteichefs hinnehmen. Der 53-jährige Bütikofer, der seiner Partei seit Ende 2002 vorsteht, erhielt 71,8 Prozent der Stimmen. Auf die 51 Jahre alte Roth, die nach einer ersten Amtszeit an der Parteispitze 2001 und 2002 diese
Funktion seit 2004 erneut inne hat, entfielen 66,5 Prozent. Beide hatten keine Gegenkandidaten.

Vor zwei Jahren war Roth mit knapp 78 Prozent der Stimmen erneut zur Parteichefin gewählt worden. Bei ihrer ersten Wahl zur Grünen-Vorsitzenden 2001 hatte sie mit 91,5 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis in der Parteigeschichte überhaupt erreicht. Bütikofer kam 2002 auf fast 90 Prozent, 2004 erreichte er 85 Prozent.

Bei der Wahl der Bundesgeschäftsführerin setzte sich Amtsinhaberin Steffi Lemke mit 526 Stimmen klar gegen ihre Gegenkandidatin, die Berlinerin Kirsten Böttner, durch, die auf 163 Stimmen kam.

Reformen in der Energiepolitik
Die Grünen drängen angesichts der Klimaerwärmung auf radikale Reformen in der Energie- und Umweltpolitik. Grünen-Umweltexperte Reinhard Loske mahnte, angesichts der "verheerenden" Entwicklung seien Gegenmaßnahmen dringlicher denn je. "Beim Klimaschutz müssen wir ein ganz großes Rad drehen", betonte Loske und leitete eine mehrstündige Debatte über einen Leitantrag ein, in dem für einen "neuen Realismus in der Ökologiepolitik" plädiert wird.

Hauptstreitpunkt ist, ob die Grünen eine völlige Umstellung der Stromversorgung auf erneuerbare Energien fordern sollen oder auch "Überbrückungstechnologien" wie moderne Gaskraftwerke notwendig sind.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast bekannte sich zu dem Ziel der Nullemission als einer „radikalen Vision". Reformen müssten aber Schritt für Schritt umgesetzt werden. Dabei sollten auch die Verbraucher mitgenommen werden. Zugleich dürfe die Partei der „Atomlobby" keinen „Spaltbreit" für die Debatte um längere Laufzeiten von Kernkraftwerken öffnen.

Zum Auftakt Abrechnung mit der großen Koalition
Den Auftakt am Freitag hatten die Grünen zu einer scharfen Abrechnung mit der großen Koalition genutzt. Das schwarz-rote Regierungsbündnis habe zwar angesichts der günstigen Wirtschaftsentwicklung „verdammt viel Glück", sei aber im Kern nur eine „große Murks-Koalition", sagte Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn in der Parteitagsdebatte über die aktuelle politische Lage. Parteichefin Claudia Roth warf der Koalition vor, kein eigenes Ziel zu haben.

Einen deutlichen Dämpfer musste der Grünen-Vorstand im Streit um das neue Partei-Logo hinnehmen. Nachdem es am späten Abend bei der Abstimmung über das vom Vorstand vorgeschlagene Signet zunächst nicht zu einem eindeutigen Ergebnis kam, zog die Parteiführung ihren Vorschlag zurück. Bütikofer begründete dies damit, dass die Entscheidung in jedem Fall knapp ausfallen und der Vorschlag damit nicht auf eine breite Zustimmung in der Partei stoßen würde. Umstritten war vor allem, dass auf dem vom Vorstand präsentierten Signet der Schriftzug „Bündnis 90" anders als bisher deutlich kleiner als der Namensteil „Die Grünen" war.

In der Auftaktdebatte gingen zahlreiche Delegierte auf die anhaltende Diskussion über mögliche Koalitionsoptionen ihrer Partei ein. Roth betonte, in dem regelmäßigen Bekenntnis der Union zur Atomkraft zeige sich keine Annäherung an die Grünen, sondern nur der „Wille zur Maximaldistanz". Zugleich forderte sie wie Fraktionschef Kuhn, diese Diskussion müsse um inhaltliche Übereinstimmungen und nicht nur um rechnerische Mehrheiten geführt werden.

Debatte um künftige Koalitionsoptionen
In der Debatte um künftige Koalitionsoptionen spricht sich Grünen-Chef Reinhard Bütikofer klar gegen ein Bündnis mit der Union aus. Er könne nicht behaupten, dass sich die Union „auch nur halbwegs ausreichend in unsere Richtung bewegt", sagte Bütikofer am Samstag im Deutschlandfunk. „In Fragen der Energiepolitik gehen sie diametral auf Gegenkurs", fügte er hinzu. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwäge, den Atomkonsens zu verlassen. „Das geht nicht", betonte der Grünen-Chef.

Auch mit Blick auf die Arbeitslosengeldvorschläge des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) sah Bütikofer große Differenzen. Älteren Arbeitslosen auf Kosten der Jüngeren länger Geld zu zahlen, sei „offenkundig ungerecht". Die Stimmung in der Koalitionsfrage sei am Freitag zu Beginn des Parteitages in Köln „eindeutig" gewesen.

Zuvor hatten mehrere Unions-Politiker eine Koalitionen mit den Grünen auf Bundesebene befürwortet. CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger sagte, die ideologischen Differenzen zwischen Union und Grünen seien „so gering wie nie zuvor, die Schnittmengen so groß wie nie zuvor".