Bischöfe besuchen Comboni-Schwestern an israelischer Sperrmauer

Im Schatten der Mauer, im Herzen des Konflikts

​An drei Seiten von der israelischen Sperranlage umgeben, sind die Comboni-Schwestern von Bethanien beidseits der Mauer für die Bedürftigen da. Mit ihrer Arbeit setzen sie ein Zeichen für Begegnung und Gewaltfreiheit.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Bischöfe blicken vom Ölberg auf Jerusalem / © Harald Oppitz (KNA)
Bischöfe blicken vom Ölberg auf Jerusalem / © Harald Oppitz ( KNA )

Gepflegte Blumenbeete ziehen sich entlang der hohen Mauern, die den Konvent der Comboni-Schwestern umfassen. Kindgerechte Malereien bilden den Hintergrund für bunte Spielgeräte aus Plastik.

Folgt der Blick den Wänden nach oben, bilden Stacheldraht und Überwachungskameras die unfreundliche Grenze zum schäfchenbewölkten Winterhimmel. "Das hier", sagt der Bischof von Troyes (Frankreich), Marc Stenger, "ist keine Theorie". Das hier ist der Kindergarten der Comboni-Schwestern in Bethanien südöstlich der Jerusalemer Altstadt, und Stenger ist Teilnehmer des internationalen Solidaritätsbesuchs, den Vertreter verschiedener Bischofskonferenzen dem Heiligen Land zum 20. Mal abstatten.

"Es war nicht unserer Wahl"

1966 eröffneten die Comboni-Schwestern ihr "Haus der Freundschaft" als spirituelles Zentrum zusammen mit einem Kindergarten für die arabischen Kinder der Umgebung. Wenig später wurde das Haus durch seine Lage unfreiwillig zu einer besonderen Mission für die Schwester: Seit der zweiten Intifada ist das Gebiet ein Hotspot von Konfrontationen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften. 

Heute umschließt die israelische Sperrmauer den Konvent von drei Seiten. Der Dienst der Schwestern, sagt Bischof Stenger, ist "ein beeindruckendes Zeugnis und die einzig überzeugende Antwort" auf die omnipräsente Gewalt.

"Es war nicht unsere Wahl", sagt Superiorin Alicia Vacas. Die Mauer der Israelis schneidet die Schwestern und ihren Kindergarten von ihrem ursprünglichen Einzugsgebiet ab. Ein Durchgang in der Mauer sollte den Kindern von Al-Eizarija weiterhin den Zugang zum Kindergarten gewähren, eine Lösung, die kein Jahr dauerte. Dann, sagt Vacas, schloss Israel auch diesen Zugang.

Die 37 Kinder, die heute den Comboni-Kindergarten besuchen, kommen von der Jerusalemer Seite der Mauer. Zwei Schwestern unterdessen zogen auf die palästinensische Seite der Mauer, um "auf beiden Seiten präsent zu sein". "Wir fanden uns vor einer Mauer wieder und sehen sie als unsere Mission an", sagt Oberin Vacas.

"Frieden gibt es hier nicht"

"Wir finden uns in der Mitte wieder, Frieden gibt es hier nicht", sagt Schwester Iman Milad, die für den Kindergarten verantwortlich ist. Auch wenn es heute ruhig ist - abgesehen von den Gesängen, die die Kinder für den Bischofsbesuch einstudiert haben: Das Leben im Schatten der Mauer hat seinen Preis. "Die Familien vertrauen uns wohlwollend ihre Kinder an und die Kinder sind glücklich hier. Aber die Verantwortung ist enorm", sagt sie.

Nicht alle Schwestern sind dem Stress gewachsen. Vor zwei Jahren, als in Zeiten gewalttätiger Zusammenstöße an der Mauer ein Molotowcocktail auf das Konventsgebäude fiel und Schaden anrichtete, brach eine der Schwestern zusammen. Zwei Tage später war sie tot. 

"Im Volksmund nennt man das gebrochenes Herz", sagt Schwester Alicia Vacas. Der Tod der Mitschwester hat bis jetzt seinen Schrecken nicht verloren.

"Wir müssen diese Mauer durchbrechen"

"Es tut gut, dass die Kirche jene sieht, die mit den Bedürftigen arbeiten, ihnen zuhört und ihre Augen für ihre Mission öffnet", kommentiert Schwester Azezet Kidani den Besuch der Bischofsgruppe.

Sie sei froh um die Gelegenheit, die Erfahrungen ihrer Arbeit zu teilen. Die wichtigste Lektion in den Augen der Schwester, deren Einsatzgebiet von afrikanischen Asylsuchenden in Tel Aviv über Beduinengruppen im Westjordanland reicht und die heute auf palästinensischer Seite der Mauer lebt: "Auf beiden Seiten ist es schwierig, auf beiden Seiten wollen die Menschen Frieden. Die Mauer bringt Spaltung, und wer sich nicht treffen kann, entwickelt neue Ängste", so Kidani zu Katholische Nachrichten-Agentur (KNA).

"Deshalb müssen wir diese Mauern durchbrechen." Die Bischöfe applaudieren. Bis Donnerstag besuchen sie noch das Heilige Land; aus Deutschland nimmt der Mainzer Weihbischof Udo Bentz als Vertreter der Bischofskonferenz teil.

"Wir müssen Gewalt durch Gewaltfreiheit ersetzen"

Die Arbeit der Schwestern, sagt Bischof Stenger, "ist das beste Beispiel, wie Gewalt mit Gewaltfreiheit begegnet werden kann". Die Kirche - "wir, die Bischöfe" - müsse solche Initiativen unterstützen und mehr noch, sich selbst in Verantwortung nehmen: "Wir müssen Gewalt durch Gewaltfreiheit ersetzen dort wo wir leben."

Heiliges Land

Blick auf Jerusalem / © Kyrylo Glivin (shutterstock)

Als Heiliges Land wird seit dem vierten Jahrhundert der Teil des Nahen Ostens bezeichnet, in dem sich biblische Geschichte ereignet hat. Die Landnahme des alten Volkes Israel, das Leben und Wirken Jesu und das Urchristentum sind dabei von Bedeutung. In der Regel gelten heute Israel und die autonomen bzw. besetzten Palästinensergebiete als Heiliges Land. Gelegentlich werden auch Teile Jordaniens, Ägyptens, des Libanon sowie zum Teil des Irak und Syriens zum Heiligen Land gerechnet.

Quelle:
KNA