DOMRADIO.DE: Nach harscer Kritik aus Kirche, Politik und Gesellschaft hat die SPD ihren Wahlwerbespot, der den Leiter der NRW-Staatskanzlei Nathanael Liminski kritisiert, zurückgezogen. War das eine gute Entscheidung?
Dr. Antonius Hamers (Leiter des Katholischen Büros NRW und Domkapitular in Münster): Ja, ich finde das richtig, dass die SPD diesen Wahlwerbespot zurückgerufen hat, weil ich es falsch finde, Menschen wegen ihrer Religion zu diskreditieren, insbesondere natürlich auch wegen ihres Katholischseins zu diskreditieren. Zum Zweiten auch, weil ich Nathanael Liminski, den Staatssekretär, als eine integre und verantwortungsvolle Person sehr schätze.
DOMRADIO.DE: Darf denn überhaupt mit religiösen Bekenntnissen Politik gemacht werden? Oder ist das ein unausgesprochenes Tabu?
Hamers: Selbstverständlich machen Leute aus ganz unterschiedlichen Motivationen heraus Politik. Eine Motivation kann selbstverständlich auch ihr Christsein und Katholischsein sein. Insofern ist es ausdrücklich auch im Sinne der Kirche, dass sich Menschen aus ihrer Religion, aus ihrem katholischen Bekenntnis heraus, politisch engagieren.
Die Päpste in den letzten Jahrhunderten haben immer wieder die Menschen dazu aufgefordert, das zu tun. Nicht zuletzt ermutigt uns auch Papst Franziskus in seiner letzten Enzyklika "Fratelli tutti", uns in der Politik einzumischen und auf diese Weise Zeugnis vom Evangelium abzulegen.
DOMRADIO.DE: Wer sich jetzt fragt, ob es da einen Widerspruch zwischen kirchlichem und politischem Engagement gibt, dem kann man also ausdrücklich Nein sagen?
Hamers: Nein, Politik gehört ausdrücklich mit dazu. Wir sind als Christen aufgefordert, uns in der Politik einzumischen, politische Verantwortung zu tragen. Insofern ist es auf jeden Fall im Sinne der Kirche, im Sinne des Evangeliums, sich auch politisch zu engagieren.
DOMRADIO.DE: Jetzt sind Sie ja sehr nah an der Politik dran. Sie sind promovierter Jurist, wie viele Politiker. Würde es also ganz gut passen, wenn Sie in der Politik wären? Dürften Sie denn, wenn Sie wollten?
Hamers: Nein, es gibt Gott sei Dank in der katholischen Kirche eine Einschränkung, weil das aktive politische Feld, sprich die Übernahme politischer Ämter, den Laien vorbehalten und den Geistlichen verboten ist. Das halte ich auch für richtig so, weil die Aufgabe von uns Geistlichen eine andere ist. Die Politik ist in erster Linie das Feld der Laien.
DOMRADIO.DE: Kann man nicht das geistliche Amt ruhen lassen?
Hamers: Nach unserem Amtsverständnis ist das Amt - das Priesteramt, das diakonale Amt oder auch das Bischofsamt - sakramental und insofern ist es etwas Lebenslanges, was man nicht einfach ruhen lassen kann. Solange ich Priester sein will und solange ich meine priesterliche Funktion ausüben will, bin ich daran gehindert, ein politisches Mandat auszuüben, sprich in den Landtag zu gehen, in den Bundestag zu gehen oder auch Bürgermeister zu werden. Ich halte das auch für richtig so.
DOMRADIO.DE: Kirche gilt ja doch für einige noch als moralische Instanz, die auch Unrecht benennt, wenn es zum Beispiel Versäumnisse in der Politik gibt. Da kann man zum Beispiel an die offenbare Fehleinschätzung in Bezug auf Afghanistan denken. Ist es da die Aufgabe von Kirche, den Finger in die Wunde zu legen?
Hamers: Natürlich haben wir die Aufgabe, immer wieder zu mahnen und die wesentlichen Grundrechte von Menschen immer wieder in Erinnerung zu rufen. Wir können uns schwer jetzt ganz konkret zu einzelnen politischen Maßnahmen äußern. Aber ich glaube, es ist wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass Politik dazu beitragen muss, den Frieden unter den Völkern zu fördern, die Würde des Menschen zu schützen, das Leben des Menschen zu schützen, Gerechtigkeit, Freiheit und Verantwortung des Menschen zu schützen.
Insofern ist es sicherlich jetzt in dieser Situation, wenn wir auf Afghanistan gucken, auch richtig, wenn die Kirche deutlich macht, dass wir hier erwarten, dass vor allem jetzt auch auf der Bundesebene, die Bundesregierung alles daran setzt, zu der Situation in Afghanistan etwas Positives beizutragen. Das heißt vor allem, die eigenen Kräfte, aber natürlich auch die afghanischen Kräfte möglichst rauszuholen aus diesen Gefahrenzonen.
Das Interviw führte Tobias Fricke.