Immer mehr Kirchen werden als Kolumbarien genutzt

Auch ohne Taufschein in der Urnenwand

Die letzten Ruhestätten in Erfurts Allerheiligenkirche sind ein "Renner": Alle 630 Urnenfächer des "Kolumbariums" sind bereits vergeben oder reserviert. Auch die 420 Plätze einer weiteren Urnenanlage, sind ebenfalls alle vorgemerkt. Thüringens Landeshauptstadt liegt im Trend.

Autor/in:
Benedikt Angermeier
 (DR)


Auch bundesweit nimmt die Nachfrage nach einer solchen Bestattungsmöglichkeit zu, die ihren lateinischen Namen der Ähnlichkeit mit einem Taubenschlag verdankt.



Zwei Entwicklungen bestärken diesen Wandel in der Bestattungskultur. Zum einen stehen immer mehr Gotteshäuser dafür zur Verfügung, weil sie etwa wegen Gemeindefusionen nicht mehr gebraucht werden. Zum anderen nimmt die Zahl der Feuerbestattungen zu. Rund jeder zweite Deutsche lässt sich nach Angaben des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur mittlerweile nach seinem Tod einäschern. Mit großen regionalen Unterschiede: In den neuen Bundesländern sind es deutlich mehr Menschen als im Westen Deutschlands.



Kein Taufschein notwendig

Dies gab auch bei der Erfurter Allerheiligenkirche den Ausschlag. Das zentral zwischen Dom und Rathaus gelegene Gotteshaus wies zudem Bauschäden auf, deren Sanierung 1,2 Millionen Euro erforderte. "Dieses Geld muss man dann aufbringen für eine Kirche, die man eigentlich gar nicht mehr braucht", erklärt Weihbischof Reinhard Hauke, damals als Dompfarrer für das Projekt zuständig. Die Idee dazu kam ihm in Italien, wo Urnenbestattungen in Kirchen keine Seltenheit sind.



Das Kolumbarium der Allerheiligenkirche mutet jedoch nicht sehr italienisch an. Durch den Raum zieht sich eine Glaswand, mit der die Urnenanlage abgetrennt ist. Werktags haben nur die Angehörigen mit einer Chipkarte Zutritt, lediglich am Sonntag steht das Kolumbarium jedermann offen. Es sind 15 Säulen in drei Reihen, in jeder Stele haben 42 Urnen Platz. Ein Fach kostet für 20 Jahre 1.000 Euro, anschließend verbleibt die Asche im Innenhof der Kirche für "alle Ewigkeit". Eine Verlängerung über die 20 Jahre hinaus ist nicht möglich.



Für das Erfurter Kolumbarium muss man nicht katholisch sein, nicht einmal einen Taufschein vorweisen. "Bei weniger als 10 Prozent Katholiken, etwa 20 Prozent Protestanten und 70 Prozent Nicht-Christen würde es lange dauern, bis die Plätze belegt sind", betont Hauke. Bedingung ist allerdings, dass die Nutzer mit der christlichen Prägung des Orts einverstanden sind. "Bei Trauerfeiern wird nichts abgehängt oder versteckt, es bleibt so wie es ist", versichert der Weihbischof.



"Niemand soll sich vereinnahmt fühlen"

Auch die konfessionslosen Interessenten eines Urnenfachs können sich mit diesen Konditionen zumeist anfreunden. Für den Leiter der Erfurter Bistumsakademie, Hubertus Staudacher, liegt ein Grund darin, dass viele kirchenferne Ostdeutsche gar keine Vorprägung haben, wie mit dem Tod umzugehen ist. Dennoch sieht Staudacher die Kirchen auch auf diesem Gebiet gefordert. "Die Bestattung ist ein Dienst an den Menschen und gehört zu ihren ganz normalen Verpflichtungen", betont er.



"Mit der Bibel, Gebeten und Liedern haben wir Christen eine Form, mit Trauer umzugehen, die wir anbieten können. Da sollen wir uns auch nicht verstecken", so Staudacher. Als eine versteckte Form der Mission will er das Angebot ausdrücklich nicht verstanden wissen. "Niemand soll sich vereinnahmt fühlen." Doch solche Ängste gibt es. Manchmal stellen sich Kinder oder Enkel quer, wenn es um einen Kolumbariumsplatz in der Kirche geht. "Einige haben ihren Platz deswegen schon zurückgegeben", weiß Weihbischof Hauke.



Religiöse Traditionen wie Gebete bei der Bestattung kommen jedoch auch bei vielen nichtkonfessionellen Trauergästen gut an. "Den meisten ist ein religiöses Gefühl nicht fremd", sagt Hauke. "Der Tod gibt manchen einen Anlass, darüber nachzudenken. Sie merken, dass die Religion etwas zu sagen hat, wo sonst meistens nur noch Schweigen herrscht".