KNA: Frau Limperg, sind Sie als Mitverantwortliche für den ÖKT froh, dass es nach vielem Hin und Her die Entscheidung für das digitale Format gab?
Bettina Limperg (Evangelische Präsidentin des Ökumenischen Kirchentages / ÖKT und Präsidentin des Bundesgerichtshofs / BGH): Ja, unbedingt! Die Alternative wäre eine Absage gewesen. Das aber wollten wir nicht! Gerade in diesen wirklich extrem herausfordernden Zeiten möchten wir mit dem ÖKT eine Plattform bieten für Debatten und Austausch.
KNA: Trauen Sie sich, eine Online-Teilnehmerzahl zu nennen, ab der Sie die Veranstaltung - zumindest quantitativ - als erfolgreich bewerten können?
Limperg: Wir betreten mit diesem Format absolutes Neuland! Deshalb: Wir sind sehr gespannt, wer uns wie besucht, wer mit welchem Anliegen an uns herantritt und wie die aktive Beteiligung beim Kirchentagspublikum digital funktioniert. Durch Aufzeichnungen vieler Veranstaltungen können etliche Formate auch nach dem Kirchentag noch nachvollzogen werden; das ist anders als beim analogen Kirchentag; hinzu kommen die dezentralen Veranstaltungen und unsere Helfendenaktionen: Es bleibt einfach spannend!
KNA: Sie haben erklärt, dass Sie an Kirchentagen das Gemeinschaftserlebnis unterschiedlichster Menschen fasziniert. Genau das wird aber online kaum erlebbar und spürbar sein.
Limperg: Ja, da haben Sie recht. Ich hoffe auf schöne kleine Begegnungen und Gesten bei den dezentralen Veranstaltungen, vor Ort in den Gemeinden und darauf, dass wir die Gemeinschaft des Entstehungsprozesses nutzen können in der Zukunft. Und wenigstens beim Abschlussgottesdienst hoffen wir doch auf wenigstens einige Mitfeiernde vor Ort.
KNA: Kirchen- und Katholikentage können aus Ihrer Sicht "den Blick auf Unterschiede richten und nach Lösungen suchen, die allen dienen". Wo genau erhoffen Sie sich solche Akzente aus Frankfurt, die die Gesellschaft in diesen seltsamen Zeiten weiterbringen können?
Limperg: Ich erhoffe mir einen Schulterschluss aller Christinnen und Christen und vieler weiterer interessierter Menschen, ein Bekenntnis zu Solidarität in diesen in der Tat seltsamen Zeiten. Gerade für die Fragen um Verantwortung im digitalen Raum - ich bin gespannt auf die Veranstaltung bubble-crasher zum Thema "Raus aus der eigenen Filterblase!" -, aber auch die Verantwortung der Wirtschaft für das Miteinander im weltweiten Verbund der Globalisierung. Und aus dem Beitrag "Abschied in Würde" erhoffe ich mir konkrete Signale und Aussagen, die in das gesellschaftliche Gespräch einfließen können.
Sterbe- und Suizidbeihilfe ist eines der großen ungelösten Themen des Deutschen Bundestags als Gesetzgebungsorgan - und geht uns alle an!
KNA: Ein ökumenischer Dauerbrenner sind die unterschiedlichen Verständnisse von Abendmahl und Eucharistie. Was erwarten Sie sich von den "ökumenisch sensiblen Gottesdiensten" am Samstagabend?
Limperg: Wir werden uns vielfältig wahrnehmen und gegenseitig besuchen: "schaut hin". Ich erwarte mir eine Öffnung der Gastfreundschaft über den Tag hinaus. Unsere Gewissensentscheidung bei Zutritt zu Abendmahl und Eucharistie bekommt einen Rahmen und ist ein bleibendes Angebot. Ich erinnere mich wie heute an das Bild des Bundespräsidenten beim Katholikentag in Münster, der in der ersten Reihe alleine sitzen blieb, während seine Frau und andere katholische Ehrengäste zur Eucharistie schritten. Das müsste nach unserem in Frankfurt gefundenen Konzept auf der Grundlage des Arbeitspapiers des ökumenischen Arbeitskreises nicht mehr sein. Das ist ein Fortschritt!
Das Interview führte Michael Jacquemain.