70 von rund 250 Millionen: Die 70 Autoren, die zu der am 14. Oktober beginnenden Frankfurter Buchmesse von Indonesien aus an den Main reisen, repräsentieren die nach Einwohnern viertgrößte Nation der Erde. Eine echte Macht also. Gemessen am Bekanntheitsgrad der literarischen Produktion in Europa ist Indonesien, diesmal Ehrengast der Buchmesse, aber vor allem eines: eine große Unbekannte.
Wer weiß schon etwas über Dorothea Rosa Herliany, die in ihren Gedichten immer wieder die soziale Ungleichheit anprangert? Oder die 30-jährige Okky Madasari, die vor zwei Jahren - als bislang jüngste Vertreterin ihrer Zunft - den "Khatulistiwa Literary Award" erhielt, die renommierteste Literaturauszeichnung ihres Landes?
Von einem "blinden Fleck in unserer westlich geprägten Wahrnehmung" spricht der Berliner Publizist Martin Jankowski in seiner Einführung "Indonesien lesen". Doch nicht nur europäische Ignoranz ist, so meint Jankowski, Schuld an der bislang geringen Präsenz indonesischer Literatur in den heimischen Regalen. Auch in Indonesien selbst fehle es noch an Bewusstsein für das Buch als Kulturfaktor.
Zahl der Verlagshäuser in Indonesien gestiegen
Doch das scheint sich zu ändern. Seit Ende des über 30 Jahre währenden Regimes von Haji Mohamed Suharto (1967-1998) kommen die Dinge in Bewegung. Die Zahl der Verlagshäuser ist stetig gewachsen und hat längst die 1.000er-Marke geknackt. In den aufstrebenden Kreisen der aufstrebenden Mittelschicht gehört die gepflegte Lektüre inzwischen zum guten Ton.
Für Branchenkenner ist der südostasiatische Inselstaat mit seinen "17.000 Inseln der Imagination", so das Motto des Gastauftritts in Frankfurt, daher ein wichtiger Wachstumsmarkt. Der Direktor der Frankfurter Buchmesse, Jürgen Boos, drückt das so aus: "Wir sehen Indonesien als einen wichtigen neuen Mitstreiter im internationalen Publishing-Netzwerk und werden dieses Jahr erleben, wie eine junge Demokratie einen eigenen, innovativen Weg auf den Feldern Bildung, Lesen und Geschichtenerzählen beschreitet."
Religiöse Literatur wichtiges Genre
Rund 88 Prozent der Indonesier bekennen sich zum Islam. Da nimmt es kaum Wunder, dass die religiöse Literatur zu den drei wichtigsten Genres zählt. In diesem Segment führend ist der 1983 gegründete Mizan Verlag, der rund 600 Bücher im Jahr herausbringt. Der Fokus liegt auf der Verbreitung islamischen Denkens "auf eine freundliche und offene Weise", wie es heißt. Dazu dient unter anderem ein Kinderbuchprogramm, das Mizan seit 1992 kontinuierlich ausbaut.
Die Bücher der Reihe "Character building for kids" ("Charakterschule für Kinder") tragen Titel wie "Mama helfen", "Bescheiden sein" oder "Versprechen einhalten".
Bei Debatten über die politische Rolle des Islam hält man sich dagegen zurück. Das verkaufe sich eher schlecht. Besser laufen den Angaben zufolge Ratgeber, die beispielsweise muslimischen Frauen erklären, wie man den traditionellen Gesichtsschleier, den Hijab, trägt. Daneben führt der Verlag aber auch Comics im Manga-Stil oder Übersetzungen der renommierten britischen Religionswissenschaftlerin Karen Armstrong im Programm.
Viele Neuerscheinungen
Das deutsche Publikum darf sich in diesem Jahr auf eine Reihe von Neuerscheinungen freuen. In der von der Buchmesse zusammengestellten Übersicht finden sich auch die wenigen bislang bekannten Namen wie der von Andrea Hirata. Sein Roman "Der Träumer" erzählt die Geschichte von Ikal, der seine Familie auf der Insel Belitung verlässt, um in der französischen Hauptstadt Paris sein Glück zu machen. So, wie der um 1975 geborene Autor selbst, dessen ebenfalls autobiografisch gefärbter Erstling "Die Regenbogentruppe" bereits Beachtung in Europa fand.
Die Generation der 30- bis 40-jährigen um Hirata und Okky Madasari könnte einst in die Fußstapfen von Pramoedya Ananta Toer (1925-2006) treten. Im Zweiten Weltkrieg kämpfte Toer gegen die japanischen Besatzer, verbrachte später unter den niederländischen Kolonialherren und dann unter Suharto Jahre im Gefängnis. Ein Leben wie ein Roman, das er unter anderem in seiner "Buru"-Tetralogie, benannt nach einer Gefängnis-Insel, verarbeitete. Mehrfach galt "Pram", wie sie ihn in seiner Heimat riefen, als heißer Anwärter auf den Literatur-Nobelpreis.