Dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" sagte Klein mit Blick auf Verschwörungsmythen bei den Protesten gegen den Umgang mit der Corona-Pandemie, dass "Milieus, die sonst nie etwas miteinander zu tun haben, die sich üblicherweise bekämpfen, plötzlich einig sind im Hass auf Juden, im Hass auf Israel". Er betonte: "Wenn auch Menschen mit legitimen Anliegen es in Ordnung finden, Seite an Seite mit Rassisten und Antisemiten zu demonstrieren, zeigt das: Die Gesellschaft ist infiziert mit Antisemitismus."
Klein sagte in dem am Donnerstag veröffentlichten Interview, er wolle alle Ausprägungen von Antisemitismus bekämpfen. Das sei manchmal sogar für das Bildungsbürgertum unangenehm, "aber da müssen wir eben auch nachschauen".
Halle-Prozess bietet Einsichten zur Hasskriminalität
Im Interview sagte Klein weiter, er sehe den Prozess zum Halle-Attentat als Chance für einen grundlegenden Lernprozess zum Umgang mit Hasskriminalität. "Der Anschlag von Halle zeigt, dass jeder Opfer eines antisemitischen Anschlags werden kann". Der Prozess biete der Gesellschaft die Möglichkeit, "endlich einmal über die Ursachen zu sprechen, wie sich solche Täter radikalisieren, gerade mit Hilfe des Internets".
Klein erläuterte: "Wir können in der Gedankenwelt des Attentäters sehen, dass Antisemitismus nie für sich alleine steht, sondern immer verbunden ist mit Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Islamfeindlichkeit. Wenn wir das verstehen, ist es auch eine Chance." Denn wenn man im Kampf gegen Antisemitismus Erfolg habe, erziele man auch Erfolge im Kampf gegen andere Formen der Diskriminierung. "Wir sollten beim Jahrestag des Anschlags am 9. Oktober daran erinnern, dass solche Denkweisen, dass solche Täter die Gesellschaft als Ganzes bedrohen", so Klein.
Klein weist Kritik an Amtsführung zurück
Kritik an seiner Amtsführung wies er zurück. "Es ist wichtig, dass wir über den Antisemitismusbegriff streiten." Er beanspruche nicht die Deutungshoheit über den Begriff, aber wende "die Instrumente an, die es gibt". So habe die Bundesregierung 2017 beschlossen, sich der Arbeitsdefinition für Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) anzuschließen. Diese besagt unter anderem, dass Erscheinungsformen von Antisemitismus sich auch gegen den Staat Israel richten können, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird.
Im Juli hatten mehr als 60 Akademiker und Künstler aus Deutschland und Israel in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor "dem inflationären, sachlich unbegründeten und gesetzlich unfundierten Gebrauch des Antisemitismus-Begriffs" gewarnt, der auf die Unterdrückung legitimer Kritik an der israelischen Regierungspolitik ziele. "Unsere Sorge ist besonders groß da, wo diese Tendenz mit politischer und finanzieller Unterstützung des Antisemitismusbeauftragten gefördert wird", hieß es wörtlich.