Initiative erforscht Gründe zum Verbleib in der Kirche

Warum Menschen nicht austreten

Warum treten Menschen aus der Kirche aus? Und was können die Kirchen tun, um die Menschen zu halten? Im Ruhrbistum Essen gibt es jetzt eine Initiative für den Verbleib in der Kirche. Im Interview erläutert Mitinitiator Thomas Rünker die Gründe.

Voll besetzte Kirche / © Harald Oppitz (KNA)
Voll besetzte Kirche / © Harald Oppitz ( KNA )

domradio.de: Man sagt das immer so schnell: Die Menschen treten aus der Kirche aus, weil sie Kirchensteuern sparen wollen - aber so einfach ist das nicht, oder?

Thomas Rünker (Initiative des Bistums Essen zum Verbleib in der Kirche): Das ist das Problem, was wir in dieser Initiative für den Verbleib in der Kirche bei uns im Bistum Essen jetzt auch wahrnehmen. Es scheint ein ganz großes Bündel an Gründen zu geben, dass jedes Jahr bei uns im Bistum eben Hunderte die Kirche verlassen. Und das zu erforschen ist der Auftrag unserer Initiative.

domradio.de: Wie finden sie das denn heraus, warum die Menschen der Kirche den Rücken kehren?

Rünker: Als erstes diskutiert man natürlich über die Kirchensteuer und ich denke, dass die Diskussion auch ihre Berechtigung hat. Weil es natürlich ein sehr hoher Beitrag ist, den die Mitglieder in unserer Kirche für diese Mitgliedschaft zahlen. Und so sehr unsere Initiative darauf abzielt, zu fragen, wie können wir die Menschen in unserer Kirche halten, so müssen wir auch fragen, was sind überhaupt die Gründe, warum Menschen bei uns in der Kirche Mitglied sind. Denn das ist ja das Paradoxe, zumindest wenn man unsere Kirche mit anderen Organisationen vergleicht, dass ganz viele Menschen in dieser Kirche Mitglied sind, einen hohen Preis für diese Mitgliedschaft zahlen, aber kaum Angebote in dieser Kirche wahrnehmen.

domradio.de: Haben Sie darauf Antworten?

Rünker: Nein, noch nicht. Wir haben gerade erst damit begonnen, diese Fragen, die wir uns in dieser Arbeitsgruppe gestellt haben, in ein wissenschaftliches Verfahren, in eine Studie zu gießen. Wir arbeiten da zum Beispiel mit einem Religionspädagogen in Siegen zusammen, Professor Ulrich Riegel und dem Professor Tobias Faix von der CVJM-Hochschule in Kassel. Wir arbeiten mit dem ZAP, dem Zentrum für angewandte Pastoralforschung in Bochum zusammen und arbeiten mit diesen Playern an einer Studie, die uns hilft, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, um diese Sachen einfach wissenschaftlich zu untersuchen. Last not least haben wir noch das Institut Dominique Chenu in Berlin mit an Bord, die für uns diese systematisch-theologische Erläuterung dazu machen.

domradio.de: Das bedeutet, jeder kann da auch mitmachen?

Rünker: Genau, wir werden spätestens in der nächsten Woche auf unserer Website  oder auch der Seite unserer Zukunftsbildprozesse eine entsprechende Meldung veröffentlichen, wo man sich an dieser Studie beteiligen kann. Dort ist jeder eingeladen, einen ganz kurzen Internetfragebogen auszufüllen über seine Einschätzung zur Kirche und zur Frage "Was ist denn so wichtig an dieser Kirchenmitgliedschaft". Anschließend wird man eingeladen, wenn man denn möchte, sich über einen weitergehenden Internetfragebogen noch tiefer mit diesem Thema zu beschäftigen oder auch ein persönliches Interview mit diesen Wissenschaftlern zu führen.

domradio.de: Also Sie betreiben so richtig Marktforschung, wie man das auch aus der Wirtschaft kennt...

Rünker: Ja, denn der Ansatz unserer Initiative ist tatsächlich ein fast ökonomischer Ansatz. Also wir fragen wirklich, was hält diese Menschen oder was lässt sie austreten, was uns als Bistum natürlich auch finanziell schmerzt. Klar schmerzt es auch pastoral und es schmerzt auch aus der Frage heraus, dass Menschen nicht mehr gemeinsam mit uns auf dem Weg sind, aber gerade in unserem Bistum, das sehr stark finanziell von den Einnahmen aus der Kirchensteuer abhängig ist, ist es auch ein ökonomischer Verlust, wenn Menschen uns verlassen. Und deshalb gehen wir da auch mit ökonomisch Orientierten dran, aber eben auch mit wissenschaftlichen Methoden, um zu erforschen, was denn die Gründe sind.

domradio.de: Das heißt auch, Kirche kann in Zukunft nicht darauf warten, dass die Menschen zu ihr kommen - Kirche muss zu den Menschen gehen? Was kann Kirche denn tun?

Rünker: Genau, das ist auf jeden Fall eine zentrale Erkenntnis, die uns als Bistum jetzt schon seit einigen Jahren trägt und treibt. Wenn Sie auf unser Zukunftsbild in unserem Bistum schauen, gibt es ein Zukunftsbild, über das ja auch domradio.de schon ganz oft berichtet hat, das mit sieben Begriffen deutlich macht, wie Kirche künftig unterwegs sein soll. Diese Begriffe zeigen, dass die Kirche eben tatsächlich, wie Sie sagen, nicht darauf warten kann, dass man - bildlich gesprochen - die Kirchentüren aufmacht und die Menschen kommen, sondern dass man zu den Menschen geht. Diese Kirche will nach unserem Zukunftsbild berührt sein, sie will wach sein, lernend, wirksam, gesendet und nah. Und sie will vielfältig sein. Und das zeigt auch, wie diese Kirche in dieser Gesellschaft unterwegs sein muss und das zeigt auch, wie sie verhindert, dass die Menschen sie verlassen, indem sie eben sehr offen und wach auf diese Menschen zugeht und schaut, was diese Menschen brauchen und wie sie als Kirche die Antworten darauf geben kann.

Das Gespräch führte Verena Tröster.


Quelle:
DR