Innenminister befassen sich erneut mit Irak-Flüchtlingen

Tauziehen am Kamin

Das Tauziehen um die Aufnahme bedrohter Christen aus dem Irak geht weiter. Heute wollen sich die Länderinnenminister auf ihrer Herbstkonferenz in Potsdam erneut mit dem Thema befassen. Beim sogenannten Kamingespräch im Schloss Cecilienhof will Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble über einen Bericht zur Lage irakischer Flüchtlinge in Jordanien und Syrien sowie über seine Bemühungen um eine Einigung auf EU-Ebene unterrichten.

Autor/in:
Christoph Scholz
 (DR)

Nach UNHCR-Angaben sind derzeit 4,7 Millionen Iraker auf der Flucht.
2,7 Millionen sind Binnenvertriebene im Irak, weitere zwei Millionen suchen in Nachbarländern Zuflucht. Wie schwierig die Situation für die Christen dort inzwischen ist, machten jüngst die ungewöhnlich offenen Worte des irakischen Kardinal Emmanuel Delly bei der Weltbischofssynode im Vatikan deutlich. Bisher waren Kirchenobere aus dem Irak eher zurückhaltend - aus Furcht, das Ende der 1.900-jährigen Präsenz der Christen im Zweistromland zu besiegeln.  Der chaldäische Patriarch berichtete von Autobomben und Selbstmordattentaten, Entführungen und ermordeten Priestern. Das Leben der Christen im Irak sei ein "Leidensweg".

Der irakische Ministerpräsident Nouri el Maliki hatte im Sommer bei einem Berlinbesuch zwar zugesagt, die Christen besser zu schützen.  Doch warten sie bislang vergeblich darauf. Nach Einschätzung des Vertreters der Chaldäer in Rom, Bischof Philip Najim, verbesserte sich die Sicherheitslage bislang nicht. Im Gegenteil - die Bedrohung gehe unvermindert weiter, sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Dabei verwies er auf die jüngsten blutigen Übergriffe in Mossul. Noch vor wenigen Tagen ermordeten muslimische Fundamentalisten dort zwei Christinnen.

Najim hofft zumindest auf die Aufnahme besonders Bedürftiger chaldäischer Christen aus Syrien und Jordanien. Nach Angaben des Nahost-Experten des katholischen Hilfswerks missio, Otmar Oehring, wird deren Lage immer dramatischer: "Sie leben in Elendsquartieren - bis zu zehn Leuten auf wenigen Quadratmetern." Die abgelaufenen Aufenthaltsgenehmigungen würden nicht verlängert. Deshalb gingen Frauen und Kinder illegaler Arbeit nach und seien völlig der Willkür ihrer Arbeitgeber ausgesetzt. "Was die Christen vor allem zermürbt, ist die vollkommene Perspektivlosigkeit", so Oehring.

Eine Entscheidung ist nicht zu erwarten
Auch das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) appelliert, Flüchtlinge aufzunehmen. Nach Angaben des Sprechers von UNHCR-Deutschland, Stefan Telöken, gibt es einen begrenzten Prozentsatz von Flüchtlingen in Nachbarländern des Irak, die nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren können. Dazu zählten Gefolterte, religiöse Minderheiten, Frauen mit Kindern oder alleinstehende Frauen. Diese Menschen bräuchten eine dauerhafte Neuansiedlung in einem Aufnahmeland, ein sogenanntes Resettlement.

In Potsdam ist allerdings noch keine Entscheidung zu erwarten. Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) bekräftigte zwar die Zusage der Länder, Flüchtlinge aufzunehmen - allerdings nur, wenn es auf europäischer Ebene einen Beschluss gebe. Die EU-Innenminister wollen Ende des Monats in Brüssel auf der Grundlage eines Berichts von Experten befinden, die Anfang November Syrien und Jordanien besuchten. Schäubles Sprecher Stefan Paris zeigte sich angesichts der "Tendenz" des Berichts gegenüber der KNA zuversichtlich, dass es zu einem positiven Ergebnis kommen werde.

Dann wäre aber noch völlig offen, wie viele Schutzsuchende tatsächlich Aufnahme finden. Schünemann spricht von einer Größenordnung, die erheblich unter 10.000 Personen liegt. Telöken appellierte an die Innenminister, dem Beispiel von Schweden, Frankreich oder den Niederlanden zu folgen. Sie nehmen bereits schutzsuchende Iraker auf - unabhängig von einem EU-Beschluss.