Das Bundesinnenministerium wirft den Kirchen Versäumnisse im Umgang mit dem Kirchenasyl vor. Es sei "nicht akzeptabel", dass dieses Instrument "anstatt für persönliche Härtefälle exzessiv als Verhinderung von Rücküberstellungen in systemisch unbedenkliche Mitgliedsstaaten wie Frankreich oder Schweden ausgenutzt wird", sagte eine Sprecherin am Dienstag auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin.
Laut Angaben der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche erreichte die Zahl der laufenden Kirchenasyl-Fälle im August mit 552 einen neuen Höchststand. Zugleich sollen sich nur rund die Hälfte der Gemeinden an eine Übereinkunft mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) halten, wonach der Behörde für jeden Fall ein Dossier zu übermitteln ist, auf dessen Grundlage das weitere Vorgehen entschieden wird.
Gemeinden müssen Vereinbarungen einhalten
Kirchenvertreter räumten dies bereits ein. Der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm machte für die Entwicklung jedoch das Bamf verantwortlich. Viele beim Kirchenasyl engagierte Christen hätten den Eindruck, "dass ihr Hilfehandeln immer stärker auf einen Verwaltungsakt reduziert wird", zitierte die Funke Mediengruppe (Mittwoch) aus einem Schreiben des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die Entscheidungen aus der Behörde stießen bei den Gemeinden oft nur noch auf "Unverständnis und Kopfschütteln".
Die Ministeriumssprecherin mahnte dagegen: "Rechtsstaatliche Entscheidungen sind zu akzeptieren, zumal wenn wir sie im Rahmen des Kirchenasylverfahrens nochmals auf persönliche Härten hin überprüfen." Die Gemeinden seien aufgefordert, die Vereinbarungen einzuhalten. "Bei abschlägiger Entscheidung des Bamf muss der Antragsteller das Kirchenasyl auch verlassen."
Die Rechtslage ist kompliziert
Wer Kirchenasyl gewährt, verstößt nach einhelliger Rechtsauffassung gegen geltendes Recht. Die Mehrzahl der Schutzsuchenden sind zudem sogenannte Dublin-Fälle, die eigentlich in das EU-Ersteinreiseland zurückgeschickt werden müssten, um dort Asyl zu beantragen. Läuft jedoch die Überstellungsfrist von sechs Monaten ab, ist Deutschland für den Asylantrag zuständig.
Seit dem 1. August 2018 gilt ein Erlass der Innenminister von Bund und Ländern, wonach bei Kirchenasylfällen in nicht vereinbarungsgemäß kooperierenden Gemeinden die Frist für diesen Selbsteintritt Deutschlands von sechs auf 18 Monate erhöht wird, die Gemeinden die Schutzsuchenden also bis zu eineinhalb Jahre lang unterstützen müssen.
Politik und Kirche wollen miteinander reden
Bedford-Strohm kündigte an, es werde "auf verschiedenen Ebenen" Gespräche geben. Ziel sei, "das bisher vorgelegte Regelwerk weiter zu entwickeln und so mehr schutzbedürftigen Asylbewerbern dauerhaft Hilfe zuteilwerden zu lassen".
Die Bischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann, forderte mehr Zeit für die Gemeinden, um die Dossiers zu erstellen. Die bisherige Frist von vier Wochen sei zu kurz, sagte sie der Nachrichtensendung MDR Aktuell. Zu weiteren Gesprächen könne sie nichts berichten, so die Sprecherin des Ministeriums. Natürlich aber stünden die am Verfahren Beteiligten in "regelmäßigem Austausch".