"Ins Wasser fällt ein Stein, ganz heimlich, still und leise. Und ist er noch so klein. Er zieht doch weite Kreise." So wie in dem Kirchenlied hätte es sein können, als eine Arbeitsgruppe der Deutschen Bischofskonferenz ihren Amtsbrüdern einen "Bericht zur Qualitätssicherung der Priesterausbildung" vorlegte. Doch was eher bürokratisch-unscheinbar klingt, hat es in sich - und schlägt seitdem hohe Wellen.
Für viele Beobachter war es schon erstaunlich, dass die Bischöfe den Vorschlag umgehend veröffentlichten, obwohl er für die meisten von ihnen selbst eine Überraschung war. Noch immer wird gerätselt, ob die "Transparenzoffensive" auf den neuen Vorsitzenden, Bischof Georg Bätzing, zurückgeht, oder ob man bloß vermeiden wollte, dass das Papier vorab an Medien durchgestochen wird.
Worum geht es konkret? Aus der Kommission für Geistliche Berufe und Kirchliche Dienste hatten die Bischöfe Felix Genn (Münster), Heinrich Timmerevers (Dresden-Meißen) und Michael Gerber (Fulda) massive Änderungen für die Priesterausbildung vorgeschlagen. Im Kern soll die Ausbildung der wenigen Kandidaten auf wenige Standorte konzentriert werden.
Konzentration auf wenige Standorte
Der Vorschlag mit den weitreichendsten Folgen betrifft die vier- bis fünfjährige Kernphase der Ausbildung. In dieser Zeit leben die Kandidaten gemeinschaftlich in einem Priesterseminar und studieren an der Theologischen Fakultät. Das ist die Phase, in der künftige Priester weltanschaulich und menschlich geprägt werden, und deshalb will am liebsten jeder Bischof "sein" Priesterseminar und "seine" Fakultät" behalten.
Doch wegen der schrumpfenden Kandidatenzahl ist das schon lange nicht mehr realistisch. Und so schlägt die Kommission nur noch drei Standorte in Deutschland vor: München, Münster und Mainz.
Ähnliche Konzentrationen gelten für die anderen Phasen der Ausbildung: Die Zeit vor dem Hauptstudium soll in Freiburg oder Bamberg stattfinden, und für die praktische Ausbildung im Pastoralkurs schlägt die Gruppe die Standorte Paderborn (mit Erfurt), Rottenburg-Stuttgart sowie einen noch zu benennenden bayerischen Standort vor.
Genn hatte schon 2016 in Eichstätt bei der 450-Jahr-Feier des Priesterseminars gefordert, die Bistümer sollten sich "endlich" zu der Entscheidung durchringen, ihre Seminare zu einigen wenigen Einheiten zusammenzulegen. Doch damals versank der ins Wasser geworfene Stein weitgehend unbemerkt.
Bischöfe sehen Ausbildungsstätten bedroht
Ganz anders der neue Vorstoß. Er löst heftige Debatten aus. Die erste Kritik kam von Bischöfen, die ihre Ausbildungsstätten bedroht sehen.
Der Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, will "keiner Lösung zustimmen, die die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Tübingen in ihrer Existenz bedroht". Und Regensburgs Bischof Rudolf Voderholzer betonte, er sehe für sein Bistum und auch für das mit ihm in der Priesterausbildung kooperierende Bistum Passau keinen Änderungsbedarf.
Der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr äußerte sich "sehr enttäuscht", dass Erfurt als einziger Ost-Standort der Priesterausbildung nicht berücksichtigt sei. Magdeburgs Bischof Gerhard Feige schloss sich an:
Erfurt als ehemaliges Zentrum der Priesterausbildung für die gesamte DDR zu übergehen, erscheine 30 Jahre nach der Wiedervereinigung "kein ermutigendes und solidarisches Signal."
Kritik aus den Universitäten
Teils scharfe Kritik kam aus den Universitäten. Die Vorsitzende des Katholisch-Theologischen Fakultätentags (KThF), die Tübinger Professorin Johanna Rahner, nannte die Überlegungen unüberlegt, naiv und politisch unbedarft. Im schlimmsten Fall würden Fakultäten erster und zweiter Klasse entstehen, was neue Fragen zur Zukunft der Theologie an deutschen Universitäten nach sich ziehen könne.
Irritiert zeigte sich der Rektor der Frankfurter Jesuitenhochschule Sankt Georgen, Ansgar Wucherpfennig. Es habe keine Informationen oder Rückfragen vorab gegeben, obwohl das Priesterseminar schon jetzt Kandidaten mehrerer Bistümer zusammen ausbilde - unter anderem aus Aachen, Hamburg, Hildesheim, Limburg, Osnabrück und Trier.
Ein weiterer Aspekt wurde bisher nur am Rande diskutiert: Wie reagieren die Bundesländer auf eine Verletzung des Konkordats, wenn an einer Theologischen Fakultät keine Priester mehr ausgebildet werden? Wer künftig "nur noch" Religionslehrer und Laien im Seelsorgedienst ausbildet, braucht eine neue Grundlage.
Und was sagt Köln? Alle Augen warteten auf Kardinal Rainer Maria Woelki, aus dessen Erzbistum weder die Priesterseminare in Köln und Bonn noch die neu übernommene bisherige Hochschule der Steyler Missionare als künftige Standorte der Priesterausbildung genannt werden.
Kardinal Woelki gibt sich diplomatisch
Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) äußerte sich Woelki sehr grundsätzlich und als Vorsitzender der Bischöflichen Kommission für Wissenschaft und Kultur - die übrigens nicht an dem Vorschlag beteiligt war. Dieser solle ja "ausdrücklich Grundlage für weitere Diskussionen und Überlegungen sein, denen ich jetzt hier gar nicht vorgreifen möchte", so Woelki diplomatisch.
Stattdessen forderte er, die Theologie an den Universitäten zu stärken, die "weitaus mehr" seien als nur Ausbildungsstandorte. Es sei "von hoher Bedeutung, dass die Theologie institutionell in den Universitäten verankert ist, die ja der Ort des wissenschaftlichen Dialogs sind".
Für die Zukunft entscheidend seien die wissenschaftliche Qualität von Forschung und Lehre und der interdisziplinäre Dialog mit anderen Wissenschaften. Dass Theologie gefragt sei, zeige auch die Neugründung des Instituts für Katholische Theologie an der Berliner Humboldt-Universität, ergänzte Woelki: "Theologie am Puls der Zeit!"
Erste Reaktionen von Theologen auf Woelki fielen eher wohlwollend aus. Offenbar verläuft diese Debatte nicht entlang der Grenzen zwischen "konservativ" und "liberal". Möglicherweise wird es weitere regionale Allianzen geben, wie sie in Bayern jetzt schon funktionieren. Und wenn sich die Wogen glätten, könnten anstelle von bundesweit nur noch drei "vollwertigen" Priesterseminaren am Ende vielleicht doch fünf oder sechs stehen.