DOMRADIO.DE: Weitgehend unbeachtet von der Welt gibt es diese schlimme Hungersnot im Osten Afrikas. Was erzählen Ihnen die Kolpingsfamilien in Kenia, mit denen Sie zusammenarbeiten?
Volker Greulich (Afrika-Referent des Internationalen Kolpingwerks): Es hat bereits seit Monaten nicht genug geregnet, es hat nicht genug Futter für das Vieh gegeben, es ist nicht genug Wasser verfügbar und vor allen Dingen muss man damit rechnen, dass die Ernte sehr schlecht ausfällt.
Es gibt regionale Unterschiede um den Mount Kenia im Zentrum des Landes. Wo gewöhnlich viel Niederschlag fällt, ist es einigermaßen in Ordnung, aber in den etwas niedriger gelegenen Landesteilen im Osten und im Norden ist es schon katastrophal.
DOMRADIO.DE: Jetzt kann man ja am Wetter zunächst mal vermeintlich wenig tun. Sie sagen, über kurz oder lang werden aber auch die Folgen dieses Ukraine-Krieg zu einer massiven Versorgungskrise in Ostafrika führen. Ist der Grund, dass dort Weizen aus der Ukraine importiert wird?
Greulich: Es wird auch ukrainischer Weizen dorthin exportiert, aber das Hauptproblem sind Energiekosten. Problematisch ist der Ausfall des russischen Erdgases und des Erdöls. Es gibt auch Sorgen über ein westliches Ölembargo, was die Ölversorgung verknappen könnte.
Also, das erste, was mir mein Kollege im Nationalbüro gesagt hat, ist, dass er überhaupt keinen Sprit hat. Und selbst wenn er Sprit kriegt, kostet er doppelt so viel wie noch vor einigen Monaten.
Man darf ja nicht vergessen, dass praktisch alles, was produziert oder irgendwie transportiert wird, Energie benötigt. Und ich glaube, neben den Auswirkungen auf die Lebensmittelpreise, sind vor allen Dingen die gestiegenen Energiekosten ein echter Preistreiber.
DOMRADIO.DE: Jetzt sind Äthiopien und Somalia politisch eher schwache Staaten. In beiden Ländern herrscht Bürgerkrieg. Tun jetzt die Regierungen etwas für ihre Bevölkerung? Oder muss zwingend die "internationale Gemeinschaft" einspringen, um noch mehr Menschen vor einer Hungerkatastrophe bewahren?
Greulich: Die "internationale Gemeinschaft" muss auf jeden Fall einspringen, schon allein, weil das mittlerweile solche Ausmaße annimmt, dass selbst eine funktionierende Regierung da nicht mehr viel machen kann.
Es gab dreimal hintereinander keine Regenzeiten, es sind keine Vorräte mehr da. Das Problem ist, dass Somalia seit 1992 keine stabile Regierung mehr hat, die außerhalb von Mogadischu etwas zu sagen hat.
Äthiopien war bis vor zwei, drei Jahren eigentlich durchaus in einer hoffnungsvollen Situation. Aber seitdem haben sich die ethnischen Spannungen im Land deutlich verschärft. Und seit einiger Zeit wird völlig der Bürgerkrieg in Tigre, im Nordosten Äthiopiens, übersehen, der auch mit großer Grausamkeit und Brutalität geführt wird.
DOMRADIO.DE: Inwieweit beschäftigen sich diese Länder mit dem Klimawandel und der Frage, was man dagegen unternehmen kann?
Greulich: Generell sind Maßnahmen in Afrika gegen den Klimawandel weiter als bei uns. Die direkten Auswirkungen des Klimawandels gibt es dort bereits seit zehn bis 15 Jahren. Das Problem ist, dass diese Länder relativ wenig machen können. Diese Länder haben einen sehr geringen CO2-Fußabdruck, sie sind mehr oder weniger Opfer.
Deshalb werden auch international bei den Verhandlungen immer wieder Forderungen der Staaten im Süden laut, dass der Norden doch bitte auch für die Anpassung an den Klimawandel bezahlen soll.
DOMRADIO.DE: Jetzt sagt Finanzminister Christian Lindner von der FDP, dass er im aktuellen Haushalt in diesem Jahr die Ausgaben für Entwicklungshilfe um gut zwölf Prozent kürzen will. Das ist wahrscheinlich nicht so hilfreich?
Greulich: Nein. Die Auswirkungen der Dürre kommen noch dazu. Aber wir werden weltweit wegen der Ukraine-Krise eine enorme soziale und humanitäre Krise haben. Da wird jeder Euro gebraucht und selbst was jetzt eingespart wird, muss man später wieder draufsatteln. Denn, wenn überall im nördlichen Afrika der Brotpreis steigt, dann werden sie wieder Unruhen haben, dann wird Migration zunehmen und wir steuern auf eine sehr massive Krise zu. Und da braucht man nicht weniger Geld, da braucht man mehr.
DOMRADIO.DE: Inwieweit stellen Sie sich vom Kolpingwerk jetzt darauf ein? Es gibt ja Kolpingfamilien-Partner in Kenia, die Sie seit Jahren unterstützen. Müssen Sie jetzt auch ihre Hilfe in der Region intensivieren?
Greulich: Wir haben in ganz Ostafrika eigentlich einen recht erfolgreichen Ansatz, dass wir versuchen, ohne Hochtechnologie oder externe Inputs den Bauern zu helfen, ihre Produktivität zu steigern. Kompost spielt da eine große Rolle. Und es hat sich wirklich auch schon während der Pandemie gezeigt, dass die sogenannte Resilienz, also die Fähigkeit der Landwirte mit externen Schocks, mit Einschränkungen bei Lieferketten umzugehen, sehr hoch ist. Die sind also gut durch die Krise gekommen.
Wir gehen davon aus, dass sie auch gut durch die kommende Krise kommen, wenn es regnet. Wobei wir da ebenfalls auf Kompost setzen, der den Wasserhaushalt im Boden verbessert. Und wenn es gar nicht regnet, kann man nichts machen. Aber solange überhaupt noch Niederschläge fallen, sind die Ernten dann einfach besser, als sie es sonst wären.
Von daher hoffen wir, dass in den meisten Gegenden des östlichen Afrikas unsere Bauern einigermaßen über die Runden kommen.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.