Königsdorfer Nachbarschaftshilfe hilft im Alltag

"Integration kann gelingen"

Hausaufgabenhilfe oder die Begleitung von Asylbewerbern und Senioren: Die Nachbarschaftshilfe Miteinander-füreinander vermittelt Ehrenamtliche an Menschen, die sie brauchen. Dabei geht es längst nicht nur darum, eine Glühbirne auszuwechseln.

Miteinander-füreinander da sein (shutterstock)

DOMRADIO.DE: 150 Ehrenamtliche engagieren sich bei der Nachbarschaftshilfe miteinander-füreinander. Was machen die so alles?

Teresa Müller-Alander (Koordinatorin bei miteinander-füreinander): Wir sind sehr breit aufgestellt. Die Ehrenamtlichen engagieren sich zum Beispiel mit dem Vorlesen im Kindergarten oder als Nachhilfelehrer, aber auch in der Flüchtlingshilfe und in der Begleitung von Senioren. Wir bieten regelmäßige Angebote an wie ein Begegnungs-Café, das vor allem ältere Menschen anspricht oder eine Reparaturwerkstatt, wo man sein kaputtes Rad hinbringen kann, ein kaputtes Elektrogerät oder eine Hose mit Loch. Die kann man dann unter Anleitung von Ehrenamtlichen reparieren.

DOMRADIO.DE: Bei 150 Ehrenamtlichen, da gibt es bestimmt erstens viel zu organisieren und zweitens braucht man ein gutes Team, um das alles gestemmt zu kriegen, oder?

Müller-Alander: Man braucht auf jeden Fall ein gutes Team und das haben wir Gott sei Dank auch. Es gibt ein gutes Leitungsteam bestehend aus vier Leuten und viele Koordinatoren, die die einzelnen Angebote betreuen.

DOMRADIO.DE: Wie funktioniert das, wenn jetzt jemand sagt "Ich habe ein Problem" und auf die Nachbarschaftshilfe zukommt?

Müller-Alander: Unser Büro hat zweimal die Woche geöffnet. Hier kann man sich entweder telefonisch melden oder persönlich vorbeikommen und sein Anliegen schildern. Ein Team versucht dann, die richtigen Ehrenamtlichen für das Anliegen zu finden und ein Matching herzustellen.

DOMRADIO.DE: Königsdorf gehört nicht unbedingt zu den ärmsten Orten im Rheinland. Viele Prominente leben dort. Macht es das einfacher oder schwieriger für die Arbeit von miteinander-füreinander?

Müller-Alander: Gute Frage. Ich würde sagen, das macht es einfacher, weil es viele Menschen gibt, die zunächst einmal Zeit haben - und das ist ja die Voraussetzung, um ehrenamtlich tätig zu sein. Es gibt viele Pensionäre im Umkreis, die sich gerne einbringen, weil sie etwas weitergeben wollen: Im Reparaturcafe zum Beispiel machen viele Ingenieure mit. Es wohnen auch viele Familien in Königsdorf, die sich zeitweise engagieren. Selbst Mütter engagieren sich. 

DOMRADIO.DE: Sie haben gesagt, manchmal geht es bei diesen guten Taten um etwas ganz anderes. Um was?

Müller-Alander: Ja, das stimmt. Neulich rief ein älterer Herr bei mir an und sagte, er gehe am Rollator, habe Rückenprobleme und könne keine Glühbirnen mehr auswechseln. Es stellte sich heraus, dass er schon älter war, 97 Jahre alt. Er bat darum, dass jemand kommt und ihm hilft, seine Glühbirnen auswechseln. Gesagt, getan. Wir haben jemanden gefunden, der zu ihm hingefahren ist und er war sehr froh, dass jemand helfen konnte.

Im Vordergrund ging es um die Glühbirnen, im Hintergrund ging es auch darum, dass ihm jemand zuhört. Dass er aus seinem Leben erzählen kann und dass jemand da ist, der Anteil an seinem Leben nimmt. Darum geht es sehr häufig bei uns, gerade im Seniorenbereich. Der ältere Herr war verwitwet und wohnte ganz alleine. Es gibt viele, die einsam sind, die alleine wohnen und sich unheimlich freuen, wenn sich jemand Zeit nimmt, um mit ihnen zu sprechen, um mit ihnen einkaufen zu gehen oder zum Arzt zu begleiten.

DOMRADIO.DE: Sie haben mir auch von einer 80-jährigen ehemaligen Leistungssportlerin erzählt, die mit ihrem Fahrrad in die Werkstatt kam. Was wollte die?

Müller-Alander: Ja, das war eine ulkige Geschichte, die mir ein Ehrenamtlicher in der Werkstatt erzählte. Diese 80-jährige Dame kam mit ihrem Rennrad - einem sehr sportlichen und teuren Modell - und erzählte, wenn sie so mit 50,60 km/h den Berg herunterrolle, rattere es so komisch, ob man da mal nachgucken könne. Der Ehrenamtliche hat dann ein Teil zurechtgebogen und am Ende ist die Dame freudestrahlend mit ihrem reparierten Rennrad nach Hause gegangen. Wir haben alle nur gestaunt.

DOMRADIO.DE: Vor kurzem gab es 2.000 Euro für den zweiten Platz bei einem Wettbewerb. Worum ging es?

Müller-Alander: Das war ein Vereinswettbewerb, der von der Sparkasse Köln ausgerichtet wurde. Es hatten sich mehr als 200 Vereine angemeldet, darunter wir. Man konnte ein Projekt vorstellen, für das man gerne das Geld verwenden will und dann musste man online Stimmen sammeln. Die Vereine, die am Ende die meisten Stimmen zusammen hatten, bekamen einen Preis. Wir haben glücklicherweise den zweiten Platz gemacht, was uns alle sehr erstaunt hat. Das hätten wir nie gedacht. Wir haben uns aber auch richtig ins Zeug gelegt und uns in der letzten Woche noch vor der Arbeit ans Bahngleis gestellt, um wildfremde Leute anzusprechen und sie zu bitten, für uns abzustimmen.

DOMRADIO.DE: Und jetzt sind Sie auch noch "Team der Woche" im Radio. Auf Ihrer persönlichen Internetseite steht: Mich interessieren Menschen und Geschichten, die das Leben schreibt. War das auch ein Antrieb für Sie bei miteinander-füreinander mitzumachen?

Müller-Alander: Meine Motivation war und ist auf jeden Fall da. Ich habe die Intitiative aber nicht gegründet. Die Geburtsstunde von miteinander-füreinander liegt weiter zurück. Es begann mit den Flüchtlingswellen 2015. Viele Flüchtlinge sind in einer Sporthalle bei uns untergekommen. Das war ein einziges Chaos und viele Königsdorfer haben sich solidarisch gezeigt und gesagt: Da müssen wir was tun. Sie haben Kleider gespendet und eine Kleiderkammer eröffnet. Später ging es darum, bei Behördengängen zu helfen, Sprachkurse zu vermitteln und Wohnungen zu finden.

Mittlerweile sind die Flüchtlingsfamilien fast alle in Wohnungen untergebracht. Es gibt niemand mehr, der in der Turnhalle übernachten muss. Bis heute existiert eine Sprachgruppe, die sich regelmäßig trifft. Eine richtet sich nur an Flüchtlingsmütter mit ihren Kindern. Während die Mütter die deutsche Sprache üben, werden die Kinder betreut, sodass sich die Mütter voll auf den Unterricht konzentrieren können.

Die Rückmeldungen sind sehr positiv. Es gibt einige junge Geflüchtete, die mittlerweile in Ausbildung sind oder arbeiten. Im Kern geht es in der Flüchtlingshilfe eigentlich immer um Begegnung und Austausch. Und wo die Sprache fehlt, gibt es immer noch Gespräche von Herz zu Herz, sag ich mal. Wir erleben, dass Integration gelingen kann - allen Unkenrufen zum Trotz. 

DOMRADIO.DE: Wenn uns nun jemand zugehört hat aus Königsdorf und mitmachen will, geht das?

Müller-Alander: Unbedingt! Wir freuen uns über jeden, der ein bis drei Stunden in der Woche Zeit hat - für Kinder oder für Senioren. Die Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten ist groß. Melden Sie sich einfach in der Aachener Straße 564 in Königsdorf, direkt neben der Sebastianuskirche oder schreiben Sie uns über unsere Webseite eine Mail. Wir freuen uns über jede und jeden!

Das Gespräch führte Tommy Millhome.


Quelle:
DR