Der Trägerverein und das Leitungsteam gaben am Samstagnachmittag in Heppenheim das Aus für die Schule bekannt. Die Schule habe es trotz intensivster Bemühungen nicht geschafft, die Finanzierung für die nächsten zwei Schuljahre sicherzustellen. "Wir müssen feststellen, dass die notwendige Finanzierung in Höhe von 2,5 Millionen Euro nicht steht."
Schülerzahl stark zurückgegangen
Angesichts dieser Fakten gebiete verantwortungsbewusstes Handeln, im Interesse der Schülerinnen und Schülern wie auch der Mitarbeiterschaft die traurige Wahrheit auf den Tisch zu legen und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, gaben Trägerverein und Schulleitung bekannt. Die Schülerzahl war in den vergangenen Jahren stark auf derzeit 114 zurückgegangen, nachdem die zahlreichen Missbrauchsfälle in früheren Jahrzehnten bekanntwurden und der Umgang der Schule mit den Opfern kritisiert wurde.
Schüler müssen neue Schule suchen
Die Schulleitung hatte sich unter dem Druck der Aufsichtsbehörden eine Frist bis zum 30. April zum Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gesetzt. Die Behörden könnten keinen weiteren Aufschub gewähren, da das Kindeswohl gewahrt werden müsse, sagte der stellvertretende Landrat des Kreises Bergstraße, Matthias Schimpf (Grüne), am Samstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Wir müssen handeln", sagte Schimpf. Die Schüler bräuchten Klarheit, wo sie das nächste Schuljahr verbringen können. Die Behörden würden helfen, neue Schulplätze zu finden. Der Betrieb des laufenden Schuljahrs sei durch die Bürgschaft eines ehemaligen Schülers gesichert.
Vertrauen ist verspielt worden
Nach dem Rückgang der Schülerzahl hat die Hausbank nach Schimpfs Angaben keinen Kredit mehr gewährt, auch eine zweite Bank habe abgewinkt. Erst im Februar hatte eine neue Schulleitung die Geschäfte übernommen. "Die Zeit für das neue Team war kurz, offenbar zu kurz - vor allem aber mussten wir feststellen, wie viel Kredit nicht nur bei Schülern, Eltern und Behörden, sondern wie viel Vertrauen - vor allem auch bei Banken und vielen Ehemaligen - verspielt worden ist", erklärten der Vorsitzende des Trägervereins, Gerhard Herbert, und der Geschäftsführer Marcus Halfen-Kieper nach der Mitgliederversammlung des Vereins.
Missbrauchsfälle im Jahr 2010 aufgedeckt
An der Odenwaldschule waren zwischen 1965 und 1998 mindestens 115 Jungen und 17 Mädchen von Lehrern und Mitschülern sexuell missbraucht worden. Die 2010 veröffentlichten Übergriffe wurden lange vertuscht. Danach versprach die Internatsschule Veränderungen. Im Frühjahr 2014 gab es aber neue Vorwürfe gegen einen Lehrer und einen Arzt. Als Folge davon erhöhten die Aufsichtsbehörden den Druck auf die Schule. Unter anderem wegen der Neuorganisation wurden Mitte Juli die drei Mitglieder der Schulleitung entlassen. Erst im vergangenen Herbst hatte sich die Schule eine neue Struktur gegeben.
Geschäftsführer Halfen-Kieper warnte davor, Legendenbildung zu betreiben: "Die Schule steht, wo sie nun steht, durch eigene Fehler, durch die eigenen Strukturen, durch Wegsehen und Wegducken, durch eigenes Nichthandeln. Wir können und sollten weder den Medien noch den Aufsichtsbehörden oder der Politik und schon gar nicht den Opfern sexualisierter Gewalt an der Schule die Verantwortung für die Situation zuzuschieben versuchen", sagte er.