Für Christen sei Kindesmissbrauch nicht nur ein Verbrechen, sondern ein Sakrileg, eine Entheiligung der Präsenz Gottes in jedem menschlichen Wesen, betonte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, die Nummer Zwei im Vatikan, zu Beginn eines Kongresses in der Jesuiten-Universität Gregoriana. Vier Tage beschäftigen sich Experten aus aller Welt in Rom mit dem Thema "Child Dignity in the Digital World" - es geht also um Kinderschutz im Internet.
Gegen Cybermobbing und Sexting
Das Problem ist vielfältig, wie Joanna Shields, Beauftragte für Internetsicherheit der britischen Premierministerin Theresa May, deutlich machte. Es beginnt beim "Cybermobbing", wenn also Kinder und Jugendliche sich über das Internet gegenseitig verleumden und belästigen, geht über das "Sexting", bei dem junge Menschen sexualisierte Bilder von sich verschicken, die natürlich leicht in die Hände Dritter geraten können, und endet beim sexuellen Missbrauch von Kindern vor allem in Entwicklungsländern, der auf Bestellung über das Internet live in die ganze Welt übertragen wird.
Anders als Parolin, der das Thema nicht erwähnte, sprach der Generalobere der Jesuiten, Arturo Sosa, auch die Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche an. Man stelle sich der "schmerzhaften Realität des sexuellen Missbrauchs von Kindern durch Priester, Ordensleute und andere pastorale Mitarbeiter". Weil Erziehung von Anfang an ein Markenzeichen des Jesuitenordens gewesen sei, engagiere er sich auch jetzt so stark.
Experten zusammenführen
Maßgeblich organisiert hat den Kongress der deutsche Jesuit Hans Zollner, Professor für Psychologie und Leiter des Kinderschutzzentrums an der Gregoriana. "Die Missbrauchsfälle, die in der katholischen Kirche bekanntgeworden sind, haben nicht zuletzt zur Gründung unseres Kinderschutzzentrums und auch der päpstlichen Kinderschutzkommission geführt", sagte Zollner der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Mit dem Kongress wolle man nun über das hinausgehen, was es inzwischen an innerkirchlichen Bemühungen um das Thema gebe. "Wir bringen Vertreter aus Kirche, Wissenschaft, Politik und Unternehmen zusammen, die im Bereich des Kinderschutzes tätig sind, aber sich in dieser Zusammensetzung noch nie getroffen haben", berichtet Zollner.
Die katholische Kirche mit ihrer Zentrale in Rom sei offensichtlich eine Institution, die eine solche Plattform schaffen könne. Zur Eröffnung des Kongresses hatte sich auch italienische Polit-Prominenz eingefunden. Die italienische Bildungsministerin Valeria Fedeli vom sozialdemokratischen "Partito Democratico" warnte davor, das Internet zu "dämonisieren", forderte aber eine "digitale Alphabetisierung".
Dafür sei eine übergreifende Allianz in Bildung und Erziehung notwendig. Auch der italienische Senatspräsident Pietro Grasso, ebenfalls Sozialdemokrat, forderte "kollektive Anstrengungen", um zu verhindern, dass die neuen Technologien für Kinder zum Risiko würden.
Wer ist Opfer und wer Täter?
Am Mittwoch, dem zweiten Tag des Kongresses, schlug die Stunde der Experten. Psychologen und Sexualwissenschaftler, Neurologen und Kriminalisten diskutierten in der päpstlichen Universität darüber, wer die Opfer und wer die Täter von Kindesmissbrauch im Internet sind, welche Auswirkungen die Internetpornografie auf Kinder und Jugendliche hat, und wie sich neue technische Entwicklungen, etwa des Livestreamings, auswirken: "Das Internet schafft Gelegenheiten, die es vor zehn Jahren noch nicht gegeben hat", sagte etwa die britische Psychologin Ethel Quayle, die sich mit digitaler Kinderpornografie beschäftigt.
Am Donnerstag wollen die Kongressteilnehmer eine Abschlusserklärung verabschieden und sie am Freitag bei einer Audienz Papst Franziskus präsentieren. Hans Zollner erwartet sich davon moralische Unterstützung: "Wir hoffen, dass die moralische Autorität des Papstes dazu beitragen wird, dass die Vision, die wir haben - eine sichere Welt für Kinder, auch im Internetzeitalter - mehr Wirklichkeit wird."