Interview: Bischöfe ziehen Bilanz nach Afghanistan-Reise

Zwischen Hoffen und Bangen

Die Bischöfe Ackermann und Overbeck berichten im Interview über ihre viertägige Afghanistan-Reise. Overbeck ist der katholische Militärbischof für die Bundeswehr, Ackermann leitet die Komission "Iustitia et Pax" der Deutschen Bischofskonferenz.

 (DR)

KNA: Bischof Ackermann, Sie waren zum ersten Mal in Afghanistan. Was sind Ihre Eindrücke?

Ackermann: Ich habe ein sehr differenziertes Bild von der Lage in Afghanistan gewonnen. Die Lage in Kabul ist eine ganz andere als die im Norden, wo die Entwicklung besser zu sein scheint. Aber in allen Gesprächen wurde deutlich, wie wichtig das kommende halbe Jahr mit den Wahlen ist. Es gibt hohe Erwartungen, aber auch sorgenvolle Fragen, wie sich das jetzt weiterentwickeln wird.

KNA: Bischof Overbeck, sie waren schon 2011 in Afghanistan. Was hat sich verändert?

Overbeck: In der Militärseelsorge wird deutlich, dass sich die Schwerpunkte verschoben haben. Vor zwei Jahren beschäftigte die Soldaten vor allem die Frage: Wie können wir die Präsenz der Bundeswehr im Land gestalten? Jetzt rückt die Frage in den Vordergrund, wie können wir den Übergang gestalten innerhalb der Verantwortlichkeiten, die an die Afghanen übergehen. Schon jetzt sind deutlich weniger deutsche Soldaten im Land, die Aufgaben ändern sich. Und vieles wird an die afghanische Polizei übergeben, deren Aufgabe immer wichtiger wird. Und damit wird auch die Aufgabe der deutschen Polizei wichtiger, die als Ausbilder für die afghanische Polizei fungiert. Insofern wird dann auch die Polizeiseelsorge immer
wichtiger werden.

KNA: Die damalige Bischöfin Margot Käßmann hat einmal mit dem Satz "Nichts ist gut in Afghanistan" eine heftige Debatte ausgelöst. Was sagen Sie heute dazu?

Overbeck: Es zeigt sich wieder einmal, dass auf allzu pauschalen Aussagen kein Segen liegt. Wir haben in unseren Gesprächen, auch mit islamischen Vertretern in Mazar-e Scharif, erfahren, wie sehr dort die stabilisierende Präsenz der Bundeswehr geschätzt wird. Das geht weit über den bewaffneten Kampf gegen den Terror hinaus.

Ackermann: Das habe ich ähnlich herausgehört, auch aus unseren Gesprächen mit NGO-Vertretern im Bereich Bildung, Gesundheit und Menschenrechte. Da zeigen sich schon viele positive Früchte, etwa bei der politischen Willensbildung der Bevölkerung. Manches davon wird sich nicht mehr zurückdrehen lassen, jedenfalls ist das unsere Hoffnung. Aber natürlich darf man keine Wunder erwarten. Vieles ist noch nicht erreicht, aber mit diesen Spannungen muss man leben. Jedenfalls habe ich den Eindruck gewonnen, dass es dem Frieden dient, was unsere Soldaten und unsere Polizisten, dort tun. Ich war beeindruckt, wie differenziert und nüchtern die Soldaten selbst die Dinge sehen.

KNA: Herr Militärbischof, die Präsenz der deutschen Truppen in Afghanistan in ihrer heutigen Form nähert sich absehbar dem Ende. Wie geht es jetzt weiter mit der Militärseelsorge im Ausland?

Overbeck: Erst einmal bleibt es ja bei einem deutschen Engagement in Afghanistan, auch wenn noch nicht ganz klar ist, in welcher Form und Truppenstärke. Möglicherweise wird dann die Polizeiseelsorge dort wichtiger werden. Und es sind deutsche Soldaten im Kosovo, in der Türkei an der Grenze zu Syrien, in Somalia. Auch dort sind wir mit seelsorgerischen Angeboten vor Ort.

KNA: Erstmals leitet eine Frau das Verteidigungsministerium. Was sind Ihre Erwartungen an Sie?

Ackermann: Ich fände es wichtig, wenn Frau von der Leyen die Anstöße ihres Vorgängers für eine verstärkte friedensethische Debatte aufgreifen würde. Wir brauchen einen breiten gesellschaftlichen Diskurs über solche Themen wie Militäreinsätze oder über den Einsatz von Drohnen. Man muss einerseits der Komplexität dieser Frage gerecht werden, aber es reicht nicht, dass das nur unter den Fachleuten diskutiert wird. Ich habe ja schon einmal die Idee einer Enquete-Kommission des Bundestages zur deutschen Friedens- und Sicherheitspolitik ins Spiel gebracht.

Overbeck: Ich würde mir wünschen, dass sie als Frau mit einer großen Familie im Hintergrund und als sehr erfahrene ehemalige Familienministerin sich auch in ihrem neuen Amt um die Belange der Familien kümmert. Vor allem um die Vereinbarkeit des Soldatenberufs mit der Familie. Und ich wünsche mir, dass sie bei der Bundeswehrreform einige Schritte weiterkommt. Ich bin überzeugt, dass diese Reform gelingen kann.

KNA: Zu den umstrittensten Fragen gehört derzeit der Einsatz von Kampfdrohnen. Wie stehen Sie dazu?

Ackermann: Jede Generation muss sich kritisch mit den jeweiligen technischen Entwicklungen auseinandersetzen, auch und gerade auf militärischem Gebiet. Man muss genau hinschauen, wo die Grenze zum Missbrauch dieser Möglichkeiten liegt und die Einsatzbedingungen klar und transparent definieren. Anders gesagt: Es ist mit Entschiedenheit den Versuchungen entgegenzuwirken, die im Technisch-Möglichen liegen.

Overbeck: Aus meiner Sicht dürfen diese Waffen nicht so eingesetzt werden, dass sie wegen Kollateralschäden den Hass zwischen den Kriegsparteien verschärfen. Letztlich müssen sie dem Frieden dienen und sollen nicht die Gräben zwischen den Völkern vertiefen. Auch beim Einsatz dieser Waffen muss die Menschenwürde und das Recht geachtet werden. Es gibt keine Waffe, die ethisch neutral wäre.


Quelle:
KNA