IRA-Priester von Behörden und Kirche gedeckt

Ein "sehr böser Mann"

Ein katholischer Priester aus Nordirland ist mutmaßlich für die Bombenattentate von Claudy 1972 verantwortlich. Das geht aus einem neuen Untersuchungsbericht der britischen Polizei in Nordirland hervor. Das Heikle an der Sache: Der Mann wurde von Polizei, Kirche und Politik gedeckt.

 (DR)

Im Bericht heißt es, Spitzenvertreter von Polizei, britischer Regierung und katholischer Kirche hätten den Tatverdächtigen gemeinsam gedeckt, um das damals herrschende Klima der Gewalt nicht durch die Verhaftung eines Geistlichen weiter aufzuheizen. Regierung und Kirche erklärten am Dienstag ihr Bedauern über das damalige Vorgehen, das den Opfern nicht gerecht geworden sei.

Im nordirischen Dorf Claudy waren am 31. Juli 1972 drei Autobomben explodiert. Dabei starben neun Menschen, Protestanten wie Katholiken, darunter drei Kinder. Die Tat, eine der blutigsten im Nordirland-Konflikt, wurde nie aufgeklärt. Die katholische Terrororganisation IRA hatte damals jede Verantwortung für den Anschlag abgelehnt.

Sicherheitslage außer Kontrolle
Aus dem nun vorgelegten Bericht geht hervor, dass der Priester James Chesney den Ermittlern als Verdächtiger und als ein mutmaßlicher IRA-Operationschef bekannt gewesen sei. Allerdings sei die Sicherheitslage in dieser Zeit außer Kontrolle gewesen, und man habe vorgezogen, ihn aus der Schusslinie statt aus dem Verkehr zu ziehen.

Es habe im Dezember 1972 ein Treffen zwischen dem damaligen Nordirland-Minister William Whitelaw und dem irischen Kardinal William Conway gegeben. Laut Polizeibericht habe Conway dabei erklärt, «er wisse, dass der betreffende Priester ein sehr böser Mann sei, und er werde sehen, was er tun könne». Auch habe er die Möglichkeit einer Versetzung in die irische Grafschaft Donegal erwähnt. Ein Polizeioffizier habe später zu Protokoll gegeben, eine Versetzung ins 200 Kilometer weiter entfernte Tipperary wäre ihm lieber.

Täter 1980 unbelangt gestorben
Chesney stritt laut Polizeibericht auf Anfrage seiner kirchlichen Vorgesetzten eine Beteiligung an dem Anschlag ab. Er wurde 1973 nach Donegal versetzt und starb dort 1980, ohne von der britischen Polizei befragt worden zu sein.

Nordirland-Minister Owen Paterson äußerte am Dienstag «tiefes Bedauern» der britischen Regierung, dass der Fall niemals sorgfältig untersucht und den Opfern damit Gerechtigkeit vorenthalten worden sei. Der Erzbischof von Armagh, Kardinal Sean Brady, und Bischof Seamus Hegerty von Derry erkannten in einer gemeinsamen Stellungnahme die Untersuchungsergebnisse des Polizei-Ombudsmannes an. Während des Bürgerkriegs habe die katholische Kirche, gemeinsam mit den anderen christlichen Kirchen, das «Übel der Gewalt» durchgängig verurteilt. Es sei daher schockierend, dass ein katholischer Priester mit einer solch abscheulichen Tat in Verbindung stehen könne.

Keine kriminelle Absicht seitens der Kirche
Die Bischöfe betonen weiter, Chesney hätte zu seinen Lebzeiten juristisch belangt werden müssen. Wenn es ausreichend Beweise gegeben habe, hätte man ihn verhaften und frühestmöglich verhören müssen, wie jeden anderen Straftäter auch. Dem habe die Kirchenleitung damals nicht entgegengestanden, unterstreichen Brady und Hegerty. Der Untersuchungsbericht habe keinerlei Hinweise auf irgendeine kriminelle Absicht seitens der Kirche festgestellt. Die Kirchenleitung habe polizeiliche Ermittlungen ausdrücklich nicht behindert, sondern den Behörden die Ergebnisse ihrer eigenen Befragung Chesneys weitergeleitet. Der Priester sei in den Jahren nach seiner Versetzung regelmäßig offiziell über die Grenze nach Nordirland gefahren, ohne verhört worden zu sein.