Irakische Flüchtlinge warten weiter auf Zuflucht

Kein Erbarmen

Wie viele Iraker demnächst nach Deutschland kommen dürfen, ist derzeit noch völlig offen. Von 30.000 war einmal die Rede. Doch wenn Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble am Donnerstag zum Treffen der EU-Außenminister reist, hat er wieder nur eine Absichtserklärung im Gepäck.

Christen im Irak: Von jeher nur eine religiöse Minderheit, heute bedroht und verfolgt (DBK)
Christen im Irak: Von jeher nur eine religiöse Minderheit, heute bedroht und verfolgt / ( DBK )

Konkrete Zahlen kann er beim Treffen seiner EU-Amtskollegen nicht bieten. Denn seine Hoffnung, sich schon im Juni mit den deutschen Länderinnenministern darauf zu verständigen, wie viele irakische Flüchtlinge aus Syrien und Jordanien nach Deutschland kommen dürfen, ging nicht in Erfüllung.

Die Unterbringung von Flüchtlingen ist in Deutschland Sache der Länder. Deshalb braucht Schäuble deren Zustimmung. Nach dem vergangenen Treffen der EU-Innenminister Anfang Juni ging der CDU-Politiker in die Offensive: Deutschland müsse «schon jetzt handeln», sagte Schäuble im Bundestag. Einen europäischen Beschluss wolle er nicht abwarten, sondern sogleich den Kontakt mit seinen Länderkollegen aufnehmen. Erneut warb Schäuble dafür, vorrangig irakischen Christen in Deutschland Zuflucht zu gewähren.

Doch nicht alle Länder spielen mit. Am Wochenende meldete der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) in der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» Sicherheitsbedenken an. Sein bayerischer Amtskollege Joachim Hermann (CSU) warnte davor, das Christentum im Orient durch die großzügige Aufnahme von Christen aus dem Irak zu schwächen.

«Bösartige Unterstellung»
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) übte scharfe Kritik an Schünemann. «Die schutzbedürftigen, Hilfe suchenden Menschen jetzt als mögliche Terroristen abzustempeln, ist eine bösartige Unterstellung», sagte der Generalsekretär der Menschenrechtsorganisation Tilman Zülch. Die GfbV unterstützte zugleich den Vorschlag des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU), dem Nordirak humanitär zu helfen, damit sich die dorthin geflüchteten Christen eine Zukunft aufbauen könnten.

Im Irak gibt es nach Schätzungen von Hilfswerken 2,7 Millionen Binnenflüchtlinge; weitere 2,2 Millionen Iraker suchen Zuflucht in Anrainerstaaten. Ihre Lage verschlechtert sich, da die Aufnahmeländer teilweise überfordert sind. Schäuble will besonders Christen und Angehörige religiöser Minderheiten wie Jesiden und Mandäern Schutz gewähren. Beobachter gehen davon aus, dass rund 800.000 Angehörige religiöser Minderheiten auf der Flucht sind.

Genaue Aufnahmezahlen hat das Innenministerium mit Blick auf laufende Gespräche mit den Bundesländern und EU-Partnern bislang nicht genannt. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Peter Altmaier (CDU), sprach unlängst von einem «substanziellen Beitrag». Die Flüchtlinge sollen nach seinen Worten zunächst eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre erhalten.

Viele Länder pochen auf die europäische Lösung, die auch Schäuble zuvor immer propagiert hatte. Da passt es ganz gut, dass die Franzosen ihre gerade übernommene EU-Ratspräsidentschaft ganz dem Thema Flüchtlinge widmen wollen und die Aufnahme der Irak-Flüchtlinge auf die Tagesordnung des Innenministerrates in dieser Woche setzten.

Keine schnelle Lösung
Mit einem Beschluss der EU-Minister ist zu rechnen. Doch wenn er so ausfällt wie der bereits vorliegende Entwurf, bleibt wieder alles sehr vage - und die irakischen Flüchtlinge müssen weiter auf eine Übersiedlung in sichere Länder warten. Voraussichtlich werden die EU-Mitgliedstaaten lediglich gebeten, zu erwägen, ob sie gemäß ihrer Kapazitäten Iraker aufnehmen können. Sie sollen dann Größenordnungen an die EU-Kommission übermitteln. Diese wird bis zum Jahresende 2008 dem Innenministerrat die gesammelten Daten vorlegen.

Schäuble erwähnt in jüngster Zeit gerne, dass Deutschland bereits Tausenden Irakern Asyl gewährt. «Das ist eine Vernebelungsstrategie», kritisiert Marei Pelzer, Rechtsreferentin bei Pro Asyl. Zu den anerkannten Flüchtlingen aus dem Irak gehörten viele, die bereits vor Jahren Asyl erhalten hätten. Als dann der Irak-Krieg offiziell zu Ende war, wurden Hunderte dieser Asylgewährungen widerrufen. Damit verloren die Betroffenen ihren Flüchtlingsstatus und mussten ständig die Abschiebung fürchten. Arbeiten durften sie auch nicht mehr. Diese Praxis sei erst im vergangenen Jahr beendet worden. Jetzt werde Irakern großzügig Asyl erteilt, berichtet Pelzer.

Mit den rund zwei Millionen irakischen Flüchtlingen, die in Syrien und Jordanien unter schwierigsten Bedingungen leben, hat das jedoch nichts zu tun. Ihre Lage verschlechtert sich zusehends, weil die Aufnahmeländer überfordert sind. Durch die steigenden Lebensmittel- und Energiepreise droht vielen irakischen Flüchtlingen die völlige Verarmung, warnen Mitarbeiter des UN-Flüchtlingskommissariates UNHCR.
Schon vor mehr als einem Jahr hatte das UNHCR dringend mehr internationale Hilfe für diese Flüchtlinge gefordert.