Man nennt es Murphys Law, also Murphys Gesetz: "Was schief gehen kann, geht schief." Der amerikanische Ingenieur Edvard A. Murphy war Captain der US Air Force. Er prägte diesen Satz, nachdem ein sehr teurer Testversuch auf einem Raketentestgelände gründlich schief gegangen war. Das war 1949.
Fehler macht der Homo sapiens schon seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte. Er macht sie und lernt daraus. Auch im Garten. Jedes Jahr von neuem. Denn in jedem Gartenjahr setzen Wetter und Schädlingspopulationen, aber auch des Gärtners eigene Entscheidungen, was er anbaut und wie intensiv und regelmäßig er seinen Garten pflegt, neue Schwerpunkte. Die Wissenschaft spricht da von "Fehlerquellen in komplexen Systemen". Und in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften prägte man für den Umgang mit Fehlern den Begriff der Fehlerkultur.
Jahr der Schnecken
Was für eine Freude: Der Rittersporn, den die Schnecken mit Stumpf und Stiel aufgefressen hatten, war unterirdisch noch vital. Er trieb im Topf auf der Terrasse mit voller Kraft wieder aus – bis der Mehltau über ihn herfiel. Na prima! Nach einem trockenem Frühjahr freuen sich viele Gartenfreunde auf ein schneckenarmes Jahr. Doch was kommt? Regen. Irgendwie den ganzen Sommer lang. Und die Schnecken werden fett und zahlreich. Und der Mehltau machte sich breit.
"Jeder Mensch kann irren, aber nur Dummköpfe verharren im Irrtum", stellte schon Cicero fest. Was also könnte im nächsten Jahr im Garten anders und besser laufen? Da sind zum Beispiel die Bergenien, die im Frühjahr wirklich sehr unter der Hitze gelitten hatten. Sollen sie doch mehr in den Schatten? Oder geben wir ihnen noch ein Jahr, weil es ja nächstes Jahr doch wieder anders sein kann. Aber wenn die Entscheidung falsch ist und die Pflanze ganz eingeht?
Kompetenzen erarbeiten
Fehler lassen sich weder vermeiden noch verbieten. Und gerade die Natur ist ein überaus fehlerfreundliches System. Wenn das nicht wächst, was gepflanzt wurde, wächst eben etwas anderes. Es liegt dann am Gärtner, ob er sich mit diesem Angebot der Natur anfreundet oder selbst wieder etwas Neues setzt.
Aus Fehlern lernen heißt, dass man sich auch Kompetenzen erarbeiten muss. Wenn sich an Stelle der netten Taglilien der Giersch im Beet breit macht, muss man natürlich wissen, dass es keine gute Idee ist, ihm großzügig Entfaltungsmöglichkeiten zu geben. Eine produktive Fehlerkultur integriert mithin die scheinbar kontroversen Fehlerstrategien Fehlerfreundlichkeit und Fehlervermeidung.
Es braucht auch Demut
Das Beste am Garten: Jedes Jahr im Frühling kann der Gärtner von neuem beginnen. Das was er aus den Fehlern lernt, kann er auch produktiv anwenden. Das ist tatsächlich einmalig und ein großer Schatz, im Rhythmus mit der Natur Jahr für Jahr neu beginnen zu können und dies jedes Jahr ein kleines Stück schlauer. Aber: Intelligenz allein reicht nicht – auch das lehrt der Garten. Es braucht jedes Jahr auch eine neue Demut und psychische Stabilität für all das was schiefgehen kann. Wer seinen Salat im nächsten Jahr ins Hochbeet setzt, damit die Schnecken da nicht so leicht dran kommen, der braucht ein hohes Maß an mentaler und emotionaler Kompetenz, um sich nicht aufzuregen, wenn die Schnecken es trotzdem schaffen.
Immerhin: ausgerechnet der Gärtner ist es, der Murphys Gesetz, das schief geht, was schief gehen kann, quasi aushebelt, zumindest ins Wanken bringt, weil dies nur für aktuelle geschlossenen Systeme gilt, also übersetzt: für das aktuelle Geschehen im Garten, aber nicht für das zukünftige. Im neuen Jahr kann sich der Gärtner mit Kompetenz und Demut wieder Einmischen ins Geschehen.
(Claudia Vogelsang)