Irme Stetter-Karp sieht in Synodalität Schlüssel zu attraktiver Kirche

"Was können wir gemeinsam besser machen?"

An diesem Wochenende beraten 66 Laien und Bischöfe beim Synodalen Ausschuss über die Zukunft der katholischen Kirche. Bringt die Weltsynode neuen Schwung in den deutschen Reformprozess? Die ZdK-Präsidentin zeigt sich optimistisch.

Autor/in:
Elena Hong
Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken auf der dritten Sitzung des Synodalen Ausschusses am 13. Dezember 2024  / © Bert Bostelmann (KNA)
Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken auf der dritten Sitzung des Synodalen Ausschusses am 13. Dezember 2024 / © Bert Bostelmann ( KNA )

DOMRADIO.DE: Es ist das erste Treffen des Synodalen Ausschusses nach der Weltsynode. Das Abschlussdokument wurde zu Beginn der Tagung ausgewertet und ausführlich besprochen. Sie selbst sprechen immer wieder von "Rückenwind" aus Rom. Wie wollen Sie diesen Rückenwind jetzt nutzen? 

Dr. Irme Stetter-Karp (Präsidentin des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, ZdK): Indem wir für unsere Situation der Ortskirche in Deutschland schauen: Was sind die notwendigen Schritte, damit Menschen sich von dieser Kirche angezogen fühlen? Das ist sehr schwer, weil ein enormer Glaubwürdigkeitsverlust dazwischen steht. Wie können wir uns so verändern, dass wir als Kirche für andere spürbar sind? Deswegen bearbeiten wir bestimmte Themen und Handlungstexte, die wir noch von der Synodalversammlung in Auftrag haben, die entweder hier fertig werden oder noch mal verwiesen werden müssen. 

Uns beschäftigt hier auch die Frage nach der Evaluation: Was geschieht eigentlich in den 27 Diözesen? Was vom Synodalen Weg wurde bereits umgesetzt? Und wie gelingt es uns, in einem guten Verständnis für Synodalität für unsere Kultur, die nicht identisch mit Kulturen auf anderen Kontinenten ist, auf Dauer ein Gremium einzurichten, das die Partizipation und Mitverantwortung von Gläubigen ernst nimmt? 

Irme Stetter-Karp

"Wie gelingt es uns (...) auf Dauer ein Gremium einzurichten, das die Partizipation und Mitverantwortung von Gläubigen ernst nimmt?" 

Blick in den Tagungssaal auf die Teilnehmer bei der dritten Sitzung des Synodalen Ausschusses am 13. Dezember 2024 im Wilhelm-Kempf-Haus in Wiesbaden / ©  Bert Bostelmann (KNA)
Blick in den Tagungssaal auf die Teilnehmer bei der dritten Sitzung des Synodalen Ausschusses am 13. Dezember 2024 im Wilhelm-Kempf-Haus in Wiesbaden / © Bert Bostelmann ( KNA )

DOMRADIO.DE: Die einen teilen Ihre Sicht des Rückenwind. Andere sehen Differenzen zwischen der Synodalität, wie der Papst sie will, und wie der Synodale Ausschuss sie umsetzt, etwa Bischof Oster. Das ist auch der Grund, warum hier vier Bischöfe fehlen. Ist das Ziel des Synodalen Ausschusses eine stärkere Beteiligung der Laien oder vielleicht doch ein "deutscher Sonderweg"?

Stetter-Karp: Zu Bischof Oster kann ich sagen, weil Sie ihn konkret angesprochen haben, da erinnere ich mich daran, dass er kurz vor dem Abschluss der Weltsynode - als Papst Franziskus erklärt hat, dass er kein nachsynodales Schreiben verfassen wird, gesagt hat, es sei alles sehr offen, man könne aus dem Dokument alles herauslesen, beliebig. Der Papst hat aber einen klaren Auftrag gegeben, jetzt damit zu arbeiten und ins Handeln zu kommen. Deswegen sehe ich die Frage nach dem Sonderweg nach diesem Abschlussdokument gar nicht. 

DOMRADIO.DE: Sie haben in Rom mehrfach für die Arbeit des Synoadalen Ausschusses geworben, müssen den Heiligen Stuhl aber auch auf dem Laufenden halten, die Entwicklungen zur Approbation vorlegen. Wie viel Druck von römischer Seite liegt auf den hiesigen Diskussionen? 

Stetter-Karp: Ich habe als Co-Präsidentin in der Mitträgerschaft des ZdK, des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, schon ganz andere Wochen erlebt, in denen der Druck auf die Bischöfe spürbar war, nämlich in der Angst, was geschieht, wenn ich mich nicht zurückhalte oder Eingeständnisse mache, von denen ich noch nicht weiß, ob sie goutiert werden. Da sah es vor der Konstituierung des synodalen Ausschusses deutlich unruhiger aus. Jetzt habe ich den Eindruck, wir haben gemeinsam den Schuh angezogen und wir gehen darin. 

Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK)

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ist das höchste repräsentative Gremium des deutschen Laien-Katholizismus. Es vertritt die katholischen Laien bei der gesellschaftlichen Meinungsbildung und ist das von der Bischofskonferenz anerkannte Organ zur Koordinierung des Laienengagements in der Kirche. Allerdings melden sich immer wieder auch einige katholische Laien und Vereinigungen zu Wort, die das ZdK nicht als ihre Vertretung verstehen.

Das Kreuz des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)  / © Harald Oppitz (KNA)
Das Kreuz des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Bleibt nicht manchmal das Evangelium oder der Glaube bei all den Diskussionen über Strukturen auf der Strecke?

Stetter-Karp: Das kann ich gelassen verneinen, weil ich inzwischen viele der Bischöfe und Delegierten kenne, auch aus anderen Zusammenhängen. Meiner Wahrnehmung nach geht es denen, die hier arbeiten, um nicht mehr und nicht weniger als die Frage, wie unsere katholische Kirche morgen für Menschen noch attraktiv ist. Ich meine nicht im Sinne von "Zeitgeist", sondern im Sinne von Prophetie und etwas Visionärem. Es geht darum, andere Maßstäbe anzulegen und Menschen damit ins Nachdenken zu bringen - im besten Sinne von Sendung. Und deshalb werden Sie von mir keine Antwort bekommen wie "Wir sind auf dem Holzweg und alle wollen hier nur irgendwelche Paragraphenreitereien". Ich glaube, da wären viele längst abgesprungen, denn dafür lohnt es sich nicht. 

DOMRADIO.DE: Abgesprungen sind hingegen ihre geistlichen Begleiter, die dafür sorgen sollten, dass der Reformprozess ein geistlich-synodaler Prozess ist. Nun haben Sie diese Position kurzfristig aus eigenen Reihen nachbesetzt. Das ist satzungswidrig. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?

Beginn der dritten Sitzung des Synodalen Ausschusses am 13. Dezember 2024 im Wilhelm-Kempf-Haus in Wiesbaden / © Bert Bostelmann (KNA)
Beginn der dritten Sitzung des Synodalen Ausschusses am 13. Dezember 2024 im Wilhelm-Kempf-Haus in Wiesbaden / © Bert Bostelmann ( KNA )

Stetter-Karp: Georg Bätzing und ich bedauern, dass die beiden ihren Rücktritt erklärt haben. Wir nehmen geistliche Begleitung weiter ernst. Wir wollen auch für das zukünftige Gremium hier eine gute Form finden. Übergangsweise haben wir eigene Delegierte beauftragt. Das hat heute (Freitag) in einer guten Weise begonnen. Ich bin zuversichtlich, dass wir das gestalten können. 

DOMRADIO.DE: Sie sehen also keinen Rollenkonflikt darin, dass die geistlichen Begleiter selbst auch in den Kommissionen sitzen? 

Stetter-Karp: Nicht zwingend, denn es wird doch genau von denen, denen ein geistlicher Weg wichtig ist, erwartet, dass alle Delegierten in dieser geistlichen Haltung sind. Einzelne bekommen den Auftrag, diese Haltung zu stärken und den Prozess geistlich zu begleiten. Daraus ziehe ich nicht den Schluss, dass das nicht jemand aus den eigenen Reihen sein könnte. 

Irme Stetter-Karp

"Einzelne bekommen den Auftrag, diese Haltung zu stärken und den Prozess geistlich zu begleiten. Daraus ziehe ich nicht den Schluss, dass das nicht jemand aus den eigenen Reihen sein könnte." 

DOMRADIO.DE: Was würde sich an Kirche ändern, wenn ab 2026 Bischöfe und Laien gemeinsam über pastorale und finanzielle Fragen beraten und entscheiden? 

Stetter-Karp: Ich kann Ihnen nicht sagen, was sich konkret ändern wird. Es ist noch zu klären, welche Kompetenzen diesem Gremium zugeschrieben werden, wie die Zusammensetzung aussieht, wie der Rhythmus des Gremiums ist. Es noch sehr viele Faktoren offen. Es wäre unredlich, wenn ich jetzt irgendetwas an die Wand male. Aber ich habe Vertrauen, dass ein Gremium, in dem Laien und Bischöfe gemeinsam auf Dauer kontinuierlich miteinander Verantwortung für die Kirche in Deutschland wahrnehmen, ein "Mehr" darstellt - nicht quantitativ, sondern qualitativ. 

DOMRADIO.DE: Kann der Synodale Rat das verlorengegangene Vertrauen durch die Missbrauchskrise damit zurückgewinnen? Oder zumindest den Trend der Kirchenaustritte aufhalten? 

Stetter-Karp: Darauf habe ich immer nüchtern geantwortet und dabei bleibe ich auch. Menschen wurden missbraucht. Vertrauen würde zerstört, auch bei Angehörigen. Es gibt sehr viele, die sagen "Es graut mir - wie soll ich dieser Kirche vertrauen?". Da zu sagen, wir drehen das einfach um, halte ich für vermessen und zu leichtsinnig. 

Außerdem ist es ja nicht so, dass der Missbrauch der einzige Grund wäre, warum Menschen gehen. Es gibt noch viele andere Gründe, die wir nicht eins zu eins linear erfassen. Dennoch sage ich: Als Christen haben wir einen Auftrag in der Nachfolge und den gilt es zu erfüllen, hier und jetzt. Die Frage ist also, was wir gemeinsam besser machen können. Darum geht es. 

Das Interview führte Elena Hong.

Die Kommissionen im Synodalen Ausschuss

Der Synodale Ausschuss soll die beim Synodalen Weg begonnene Diskussion über die Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland fortführen. Das Gremium hat dazu drei Kommissionen aus jeweils zehn Mitgliedern bestimmt. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) gibt vor der dritten Sitzung des Synodalen Ausschusses Mitte Dezember in Wiesbaden-Naurod einen Überblick:

Kommission I - "Synodalität als Strukturprinzip der Kirche und Ordnungen des Synodalen Rats"

Logo Synodaler Weg / © Julia Steinbrecht (KNA)
Logo Synodaler Weg / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR