Islamexperte sieht neues muslimisches Forum kritisch

"Das ist keine Religionsgemeinschaft"

Reformfreudige interlektuelle Muslime haben sich zum neuen "Muslimischen Forum Deutschland" zusammengeschlossen. Eine Einordnung fällt noch schwer, wie Dr. Thomas Lemmen, Experte für christlich-islamischen Dialog im Erzbistum Köln, im domradio.de-Interview betont.

Muslime beim Gebet (dpa)
Muslime beim Gebet / ( dpa )

domradio: "Wir gründen keine Moscheen, wir rollen keine Gebetsteppiche aus, wir wollen den Islam gesprächsfähig machen". Das sagt die Religionspädagogin Lamya Kaddor, die das Forum mit gegründet hat". Was sagen Sie? Ist das eine gute Idee? 

Dr. Thomas Lemmen: Das ist eine Interessenvertretung liberaler Muslime. Natürlich haben sie das Recht, sich zu einer solchen Interessenvertretung zusammen zu schließen. Aber eines ist ganz klar: Das ist keine Religionsgemeinschaft. Es ist keine Alternative zu den Moscheeverbänden, sondern es ist eine zusätzliche Vertretung. Und mehr schadet in dem Fall nicht.

domradio: Vielleicht ein Wort zu dem liberalen Islamverständnis, das dieses Forum ausmacht?

Dr. Thomas Lemmen: Es ist nicht ganz unproblematisch, weil dahinter die Organisation "Liberal-Islamischer Bund" steht. Das erweckt das Zeichen der Spaltung der Community, weil der Eindruck erweckt wird, man sei besser, man sei liberaler und demokratiefähiger. Damit wird im Grunde den anderen unterstellt, man sei nicht so. Es wäre besser, wenn dieser Diskurs mit den Moscheegemeinden und in den Moscheegemeinden stattfinden würde als außerhalb durch ein separates Forum.

domradio: Die Gründer des neuen muslimischen Forums wollen nach eigener Aussage die Mehrheit der Muslime in Deutschland vertreten. Für wie repräsentativ halten Sie das Forum?

Dr. Thomas Lemmen: Viele sagen, sie vertreten die Mehrheit. Und wenn man all die zusammenzählen würde, würde man auf 250 Prozent der Muslime in Deutschland kommen. Es gibt keine Untersuchungen, die diesen Anspruch belegen würden. Die sogenannte schweigende Mehrheit hat bisher keine Strukturen geschaffen und ich glaube nicht, dass das muslimische Forum das schaffen wird. 

domradio: Unterstützt wurde die Gründung von der CDU-nahen Adenauer-Stiftung. Das sehen Beobachter kritisch. Ist diese Nähe zu einer bestimmten politischen Partei ein Problem?

Dr. Thomas Lemmen: Ich finde das ziemlich unmöglich. Wie kann die Adenauer-Stiftung hingehen und einen Prozess unterstützen, der zu einer Herausbildung einer neuen islamischen Struktur führt? Auf der Seite sagt man, wir wollen nicht, dass sich die Türkei als Staat in die Religionsangelegenheiten der Muslime einmischt. Und auf der anderen Seite geht eine Stiftung, die einer Partei nahe steht, hin und unterstützt einen solchen Prozess. Das finde ich nicht vereinbar mit dem Prinzip der Trennung von Staat und Religion in Deutschland. Um es zu konkretisieren: Ich finde es gut, dass sich Leute zusammenschließen und sagen, wir sind eine Interessenvertretung von Muslimen, die ein bestimmtes Islamverständnis haben. Aber das sollen sie ohne Unterstützung der Politik und einer Partei machen und als Muslime sind sie damit ein Gesprächspartner. Aber ich finde, dieser Diskurs sollte nicht außerhalb der Community stattfinden. Ich finde es auch problematisch, dass Sunniten, Schiiten, Aleviten und Jesiden dabei sind. Die Aleviten sagen von sich, sie seien keine Muslime. Die Jesiden sind per Definition keine Muslime. Also werden da im Grunde in ein muslimisches Forum ganz unterschiedlichste Gruppen reingepackt, von denen gar nicht klar ist, wo sie in der Community stehen. Das macht es noch einmal schwieriger.

domradio: Gibt es jetzt schon Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und dem neuen muslimischen Verband?

Dr. Thomas Lemmen: Nein. Dieser Verband ist ja erst eine knappe Woche alt. Da gibt es keine Beziehungen. Es gibt zu Personen Beziehungen, die in diesem Forum mitwirken. Zu Professor Khorchide beispielsweise. Auch auf der wissenschaftlich theologischen Ebene haben wir Beziehungen. Aber die Frage ist, ob wir uns als Kirche in diese Diskussion einbringen müssen, denn das ist eine innerislamische Diskussion. Und da können wir allenfalls gefragt werden, aber keinen aktiven Part spielen.  

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR