Ist die Kommerzialisierung des Weltalls ethisch vertretbar?

"Das Weltall ist gesetzlos"

Erstmals ist einer kommerziellen Mission die Landung auf dem Mond geglückt. Bruder Josef Götz leitet die Sternwarte der Erzabtei Sankt Ottilien. Er sieht die private Raumfahrt kritisch, obwohl er ein Grundstück auf dem Mond hat.

Symbolbild Vollmond hinter Bäumen / © kdshutterman (shutterstock)
Symbolbild Vollmond hinter Bäumen / © kdshutterman ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie haben Sie die Landung auf dem Mond verfolgt? Oder haben sie in den Medien davon gelesen? 

Bruder Josef Götz OSB (Erzabtei St. Ottilien)

Bruder Josef Götz (Leiter der Sternwarte der Erzabtei Sankt Ottilien): Ich habe die Landung verfolgt und habe davon in den Medien gelesen.

Ich war als Kind immer fasziniert von den legendären Apollolandungen. Ich konnte vor nicht allzu langer Zeit selber miterleben, wie ein Apollo 17-Astronaut im Deutschen Museum live von seiner letzten Landung auf dem Mond in den 1970er Jahren berichtet hat. 

DOMRADIO.DE: Die Mission war unbemannt, aber es ist die erste seit den Apollo-Missionen. Es ist außerdem offiziell die erste kommerzielle Landung. Ein privates Unternehmen ist daran beteiligt, nicht die NASA. Wo liegen Vorteile und auch Risiken der kommerziellen Raumfahrt aus Ihrer Sicht? 

Götz: Ich habe nichts gegen eine kommerzielle Raumfahrt, solange die Sicherheitsmaßnahmen insbesondere für lebendes Wesen eingehalten werden. 

Der erste Mann im Weltall war in den 1950er Jahren Juri Gagarin. Er war ein Astronaut, ein Kosmonaut. Heute weiß man, dass er damals eine 50-Prozent-Chance zu überleben hatte. Die Propaganda der damaligen Sowjetunion war es wert, einen Menschen mit 50 Prozent Überlebenswahrscheinlichkeit zu opfern, um diesen großen Coup zu landen. Der war technisch ein großer Erfolg. 

Sternenhimmel über Brandenburg / © Patrick Pleul (dpa)
Sternenhimmel über Brandenburg / © Patrick Pleul ( dpa )

Ich lehne es ab, wenn Menschen dadurch gefährdet werden. Die Raumfahrt ist gefährlich. Es gibt radioaktive Strahlung. Allein das Durchfliegen des Van-Allen-Gürtel ist gefährlich, das Verlassen des Schutzschilds der Erde. All das muss man wissen. 

Bei kommerziellen Unternehmungen ist einerseits die Rentabilität, in vielen Punkten besser als bei staatlich subventionierten Organisationen. Aber ob die Sicherheitsmaßnahmen immer eingehalten werden, das wage ich zu bezweifeln. Das kann man an anderen aktuellen Beispielen in Deutschland erleben. 

Josef Götz

"Das Weltall ist genauso 'gesetzlos' wie manche Bereiche der Globalisierung"

DOMRADIO.DE: Wie sieht es denn mit dem ethischen Aspekt aus? Bei privaten Unternehmen weiß man nicht zu 100 Prozent, was wirklich dahinter steckt, ob es ein öffentliches Interesse oder ob es vielleicht sogar kriminelle Hintergründe für solche Dinge gibt. Vor einigen Tagen wurde über eine russische Atom-Rakete im Weltall gesprochen, später über eine Anti-Satelliten-Waffe. Wie hoch sind die Risiken, dass auch nicht-friedliche Absichten dahinter stecken könnten? Braucht es einen Ehrenkodex für die kommerzialisierte private Raumfahrt? 

Götz: Den oder eine Gesetzgebung braucht es sicherlich. Das Weltall ist genauso "gesetzlos" wie manche Bereiche der Globalisierung, unter denen auch die armen Länder leiden. Grundsätzlich denke ich, ist das Weltall weder von den Menschen erschlossen noch kartografiert. 

Schulsternwarte St. Ottilien (Erzabtei St. Ottilien)

Ich habe von Schülern unseres Gymnasiums ein Grundstück auf dem Mond geschenkt bekommen, mit Stempel und Urkunde und allem Drum und Dran. Ein wunderschönes Geschenk. 

Es wurde auch genau definiert, wo das Grundstück ist. Die können mir das nur schenken, weil sie genau wissen, dass ich nie in die Verlegenheit kommen werde, dort ein Haus zu bauen. 

Josef Götz

"Wir müssen die Erde erhalten."

DOMRADIO.DE: Beim Mond ist es unwahrscheinlich, dass er der Menschheit Lebensraum bietet. Es gibt jedoch viele Science Fiction-Filme, die Szenarien ausmalen, in denen die Erde unbewohnbar wird. Von der Thematik sind wir hinsichtlich des Klimawandels gar nicht so weit weg. Gibt es außerhalb der Erde einen Raum, wo die Menschheit überleben könnte? 

Götz: Wir werden den Mond brauchen, um die nächste Etappe zum Mars fliegen zu können. Das ist so schwierig, dass das in weite Ferne gerückt ist. Der Mensch altert beispielsweise schneller im All. Der Mars ist als Ersatz nicht völlig unbrauchbar. Aber wir müssen die Erde erhalten.

Zweiter Teil der Antwort: Durch besondere astronomische Beobachtungen hat man 5.000 Planeten in den letzten 25 Jahren entdeckt. Man hat das erste Mal bewiesen, dass es andere Planeten gibt. Es gibt so viel Sonnensysteme wie Sandkörner auf der Erde. Die Wahrscheinlichkeit besteht, dass dort auch Lebewesen in irgendeiner Form existieren. Das glaube ich schon. Bewiesen ist bis heute nichts. 

Josef Götz

"Es gibt viel Faszinierendes zu entdecken."

DOMRADIO.DE: Was fasziniert die Menschheit an diesem Galaktischen, an diesem Kosmologischen, am Weltraum, an der Raumfahrt, an den Sternen?

Götz: Wir schauen regelmäßig in den Weltraum. Die Größe des Universums ist faszinierend. Die 14 Milliarden Jahre, die das Universum alt ist, sind faszinierend. Physikalisch beobachten wir es seit circa 100 Jahren. Was 100 Jahre im Vergleich zu 14 Milliarden sind, muss ich Ihnen nicht sagen. Es gibt viel Neues zu entdecken. Es gibt viel Faszinierendes zu entdecken. Es ist Grundlagenforschung. Es ist keine Forschung, die sofort kommerziell nutzbar ist. 

Archivbild: Der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin in seinem Raumanzug im April 1961 / © Lehtikuva (dpa)
Archivbild: Der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin in seinem Raumanzug im April 1961 / © Lehtikuva ( dpa )

Auch der Flug von Juri Gagarin war kein betriebswirtschaftliches Unternehmen. Es war ein Forschungsprojekt mit hohen Risiken. Das Weltall ist wunderschön. Die Natur ist wunderschön.

In den Psalmen lernen wir, wie wunderbar die Erde ist, die Gott erschaffe hat, die Tiere, die Blumen. All das findet man in anderer Schönheit auch in den Weiten des Universums wieder. Das finde ich interessant und faszinierend. Das gilt es zu entdecken und auch zu erforschen. 

Irgendwann kommt die kommerzielle Nutzung hinzu, wie beispielsweise die Nutzung von Satelliten auf 400 Kilometer Höhe für Radio, für Telefon, Fernsehen und Bodenbeobachtungen.

Josef Götz

"Gott kann ich auf dem Mond gar nicht entdecken."

DOMRADIO.DE: Juri Gagarin soll nach seinem ersten Weltraumspaziergang gesagt haben: "Einen Gott habe ich nicht gesehen." – Was würden Sie ihm entgegnen? 

Götz: Ich würde ihn mit dem amerikanischen Astronauten, der einige Jahre später auf dem Mond war, antworten. Er hat auch gesagt: "Gott habe ich nicht getroffen." – Aber unser Universum ist viel größer als der Mond und die Erde. Gott ist noch einmal wesentlich größer. Gott kann ich auf dem Mond gar nicht entdecken. 

Er ist im Herzen der Menschen und in jeder Blume, in jeder Begegnung und in jedem guten Gespräch. 

Das Interview führte Jan Hendrik Stens.

Geschichte von Sankt Ottilien

Im Jahre 1884 gründete der Beuroner Benediktiner P. Andreas Amrhein im oberpfälzischen Reichenbach eine Gemeinschaft, die nach mittelalterlichem Vorbild das traditionelle benediktinische Leben mit der Missionstätigkeit verbunden wollte. Reichenbach war geographisch wenig günstig, und da überdies der Bischof von Regensburg Amrhein bekämpfte, wurde die Gründung 1887 nach Emming in Oberbayern verlegt. Der alte Weiler besaß eine kleine Kapelle, die der hl. Ottilia geweiht ist, so daß der Name des Klosters sofort feststand: St. Ottilien.

Erzabtei Sankt Ottilien / © klamor (shutterstock)
Quelle:
DR