Italiens neuer Regierungschef und die Katholiken

"Der weiß, was der Vatikan ist"

Eine katholische Bilderbuch-Biografie sieht anders aus: Paolo Gentiloni begann seine politische Laufbahn als Maoist. Dennoch gibt es katholische Vorschusslorbeeren für Matteo Renzis Nachfolger.

Autor/in:
Von Thomas Jansen
Paolo Gentiloni / © Giuseppe Lami (dpa)
Paolo Gentiloni / © Giuseppe Lami ( dpa )

Mit so viel katholischen Vorschusslorbeeren ist schon lang kein italienischer Ministerpräsident mehr bedacht worden: "Gentiloni ist einer der letzten Vertreter jener internationalen und universalen Romanita, die wissen, was der Vatikan ist und wofür die Kirche in Italien steht". Mit diesen fast überschwänglichen Worten würdigte der Kirchenhistoriker Andrea Riccardi den neuen Regierungschef Paolo Gentiloni, dessen Regierung am Montagabend in Rom vereidigt wurde.

Riccardi ist zwar nicht Kardinal oder Bischof, aber die prominenteste Stimme des Laienkatholizismus auf der Apennin-Halbinsel. Sein Lob für Gentiloni erklärt sich wohl nicht zuletzt aus den guten Kontakten, die er seit längerem zur katholischen Gemeinschaft Sant'Egidio unterhält. Von offizieller kirchlicher Seite gab es hingegen bislang keine Reaktionen.

Keine Bilderbuch-Biografie

Gentiloni hat keineswegs eine katholische Bilderbuch-Biografie vorzuweisen. Der Spross einer alten Adelsfamilie aus den mittelitalienischen Marken begann seine politische Laufbahn nach katholischer Jugendarbeit zunächst ganz weit links: als Sekretär der "Maoistischen Gruppe" in der Region Latium. In den 80er Jahren kam er zur Umwelt- und Anti-Atomkraft-Bewegung. Von 1984 bis 1993 war er Chefredakteur der Zeitschrift "Neue Ökologie", die von einer Umweltschutzvereinigung herausgegeben wird.

Gentilonis politische Karriere im engeren Sinne setzte 1993 ein, als ihn der neu gewählte grüne Bürgermeister Roms, Francesco Rutelli, zu seinem Sprecher ernannte. Später machte er ihn zudem zum städtischen Beauftragten für das Heilige Jahr 2000. Damals gewann er erste Einblicke in das vatikanische Innenleben.

Berührungspunkte mit dem Vatikan

Gentiloni hat sich auch mit der Rolle des Heiligen Stuhls auf dem internationalen Parkett beschäftigt. Er schrieb das Vorwort zu einem Buch mit dem Titel «Die Welt des Franziskus - Bergoglio und die internationale Politik», das im April in Italien erschien. Die maßgeblichen außenpolitischen Akteure im Vatikan kennt er persönlich: Als Italiens Außenminister war Gentiloni noch Ende November mit Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und dem vatikanischen Außenminister Paul Richard Gallagher zusammengetroffen.

Die großen katholischen Medien des Landes unterscheiden sich in ihrer Einschätzung der Regierung Gentiloni kaum vom allgemeinen Tenor. Demnach ist seine Mannschaft nicht mehr als eine Neuauflage der Regierung Renzi mit kosmetischen Veränderungen. Die katholische Zeitung "Avvenire" veröffentlichte zudem einen Offenen Brief des "Forums der Familien" an den kinderlosen Gentiloni. Darin fordert die katholische Vereinigung den neuen Regierungschef auf, Familien stärker zu fördern.

Viele katholische Verbindungen

Der Name Gentiloni hat im katholischen Italien einen guten Klang - und dass nicht nur, weil ein Vorfahr des Ministerpräsidenten die "Melodie der silbernen Trompeten" schrieb, die im Vatikan bis 1970 häufig zu hören war. Vor allem ist er eng mit der Geschichte des politischen Katholizismus im Land verknüpft.

Der sogenannte Gentiloni-Pakt markiert den Eintritt der Katholiken in die italienische Politik, nachdem Papst Pius IX. (1846-1878) ihnen nach der Gründung des Königreichs Italien einen Wahlboykott verordnet hatte. Gegenstand des Pakts war die Aufstellung von Katholiken auf der liberalen Liste für die Parlamentswahlen von 1913. Ausgehandelt wurde er auf katholischer Seite von Vincenzo Ottorino Gentiloni.

Der Vatikan und die katholische Kirche haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich an Einfluss in Italiens Politik eingebüßt. Daran dürfte sich auch unter Gentiloni nicht viel ändern. Denn die tiefere Ursache dieser Entwicklung ist der Untergang der "Democrazia cristiana" Anfang der 90er Jahre. Damit hatte auch die enge Verquickung von Politik und Kirche ein Ende. Seither achten Bischofskonferenz und Vatikan verstärkt auf Distanz zur weltlichen Macht. Hinzu kommt, dass Franziskus den Bischöfen nahezu vollständige politische Enthaltsamkeit verordnet hat.


Quelle:
KNA