Italiens Parlamentswahlen aus katholischer Sicht

Vergebliche Versöhnungsrufe in Rom

Am Sonntag hat Italien die Wahl. Den teils ausländerfeindlichen Wahlkampf verfolgt die katholische Kirche mit Sorge. Sie mahnt zu Ehrlichkeit und fordert mehr Mut- als Angstmacherei.

Autor/in:
Roland Juchem
Am Pantheon: Italien vor der Wahl / © Andrew Medichini (dpa)
Am Pantheon: Italien vor der Wahl / © Andrew Medichini ( dpa )

Festgottesdienst Anfang Februar in der römischen Bischofskirche San Giovanni in Laterano. Die katholische Gemeinschaft Sant'Egidio, bekannt als Anwältin für Arme, Migranten und den Frieden, feiert 50-jähriges Bestehen. Bei seinem Grußwort findet Antonio Tajani, Präsident des EU-Parlaments und Mitglied der Partei Forza Italia (FI), starke Worte für die Gemeinschaft - und erhält höflichen Applaus. Nach ihm spricht Ministerpräsident Paolo Gentiloni von der Partito Democratico (PD). Er wird mit Applaus begrüßt, mehrfach unterbrochen und stürmisch verabschiedet.

Gefühlte katholische Zweidrittelmehrheit

Wäre diese Szene ein Wahlbarometer, gäbe es eine gefühlte katholische Zweidrittelmehrheit für Gentiloni. Doch weder sind der PD-Spitzenkandidat noch Sant'Egidio repräsentativ für Italiens Katholiken. Dabei steht Gentiloni für eine ruhige, besonnene Politik, die in Italien wenig gewürdigt wird. Schon gar nicht beim Dauerthema Migration.

Nachdem Anfang Februar im mittelitalienischen Macerata ein 28-jähriger Rechtsextremer aus einem fahrenden Auto auf afrikanische Migranten schoss, ist die Debatte entgleist. Medienberichten zufolge gestand der Mann: "Ich habe getan, was getan werden musste: Die illegale Migration muss gestoppt werden." Zudem habe er den Tod einer 18-jährigen Italienerin rächen wollen.

"Recht auf Selbstverteidigung"

Matteo Salvini, Chef der früher separatistischen, heute rechtspopulistischen Lega Nord, redete von einem "Recht auf Selbstverteidigung". Der 81-jährige Silvio Berlusconi, der mit unter anderem mit Salvini ein Mitte-Rechts-Bündnis geschmiedet hat, nannte Migranten eine "soziale Bombe" und kündigte an, "600.000 illegale Einwanderer" sollten aufgespürt werden; sie könnten auch "von den Bürgern angezeigt werden".

Solche Äußerungen weist die Kirche scharf zurück. "Nein zu Fremdenhass, gesellschaftlichem Groll und Geschäftemachern der Angst", mahnte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Gualtiero Bassetti. Italien müsse zu "Sachlichkeit, Frieden und Dialog" zurückfinden. Und Generalsekretär Nunzio Galantino, Bischof von Nola, forderte "einen Ruck der Ehrlichkeit, des Realismus und der Demut von jenen, die um unsere Stimmen bitten". Es gebe zu viel Angstmacherei und zu wenig "Worte der Hoffnung".

Arbeitslosigkeit, Armut und Umweltschutz

Gemäß der vom Papst ausgegebenen Parole "fördern, schützen, aufnehmen und integrieren" wirbt die Kirche für einen besonnenen, humanitären Umgang mit Migranten. Migranten müssten innerhalb Europas gerechter verteilt und die Lage in den Herkunftsländern verbessert werden. Als weitere Herausforderungen nennt Bassetti Arbeitslosigkeit, Armut, Umweltschutz sowie Verbrechensbekämpfung. Die hohe Arbeitslosigkeit etwa im Süden, treibe Jugendliche in die Arme der Camorra, die ihnen Aufgabe und Einkommen biete.

Insgesamt steht Italiens Kirche der noch regierenden Koalition um die PD recht nah. Ganz so deutlich wie im Hirtenbrief des Südtiroler Bischofs Ivo Muser, der unlängst vom "Scherbenhaufen neoliberal-kapitalistischer Politik" sprach, sagt es aber sonst keiner. Differenzen zum Mitte-Links-Lager, die es bei den Themen Abtreibung, Familie und Gender gibt, zeigen sich zudem bei Italiens erstem Gesetz zur Patientenverfügung. Zwar begrüßt man dies grundsätzlich, kritisiert aber fehlende Widerspruchsmöglichkeiten aus Gewissensgründen für katholische Ärzte.

Kirchlicher Einfluss nimmt ab

Zur umfragenstärksten Einzelpartei "Fünf Sterne", die als Protestbewegung begann und inzwischen von gängigen innerparteilichen Querelen betroffen ist, äußern sich Kirchenvertreter kaum. Insgesamt ist der kirchliche Einfluss in Italien rückläufig. Die Zeiten, da katholisch gleich christdemokratisch war, sind lange vorbei. Verbliebene organisierte Christdemokraten finden sich noch im Verbund "Noi con l'Italia-UDC" in Berlusconis Bündnis. Laut Umfragen liegen sie bei 1 bis 3 Prozent.

Am Donnerstagabend, zwei Tage vor der Wahl, sagte EU-Parlamentspräsident Tajani endlich Berlusconi zu, als Spitzenkandidat von Mitte-Rechts zur Verfügung zu stehen. Und Lega-Chef Salvini, bislang als "Law and Order"-Mann unterwegs, wird plötzlich fromm. Er trage stets einen Rosenkranz bei sich und würde als Regierungschef nicht nur auf die Verfassung, sondern auch auf die Bibel schwören, ließ er wissen. Die Replik eines Bischofs: Ein hochgehaltener Rosenkranz oder die Hand auf der Bibel allein machten noch keine christliche Politik.


San Giovanni in Laterano / © Gerlinde Pfirsching (KNA)
San Giovanni in Laterano / © Gerlinde Pfirsching ( KNA )

Antonio Tajani, Präsident des Europäischen Parlaments / © Guido Kirchner (dpa)
Antonio Tajani, Präsident des Europäischen Parlaments / © Guido Kirchner ( dpa )

Renzi trifft Papst Franziskus  (dpa)
Renzi trifft Papst Franziskus / ( dpa )
Quelle:
KNA
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