In der italienischen Regierungskrise stellt sich Ministerpräsident Giuseppe Conte am Dienstag einer zweiten, entscheidenden Vertrauensabstimmung im Parlament. Der Chef der Mitte-Links-Koalition hatte bei einem ersten Votum in der größeren Parlamentskammer am Montag einen Etappensieg errungen. Das eigentliche Signal über die Zukunft seiner angeschlagenen Regierung dürfte aber von der Machtprobe im kleineren Senat ausgehen
Die große Abgeordnetenkammer hatte dem parteilosen Juristen am Montagabend nach einer kontroversen Debatte das Vertrauen ausgesprochen. Conte erhielt 321 Ja-Stimmen - und damit eine absolute Mehrheit. 259 Abgeordnete votierten gegen den Regierungschef.
Contes Koalition war am Mittwoch vor einer Woche durch den Austritt der Kleinpartei Italia Viva von Ex-Premier Matteo Renzi auseinander gebrochen. Hintergrund war ein langer Streit um die Verwendung von milliardenschweren Corona-Hilfsgeldern der Europäischen Union.
Am Dienstag will Conte im Senat zunächst eine Rede halten (ab 9.30 Uhr). Später wird abgestimmt. Das Resultat dürfte erst nach Stunden vorliegen.
Beobachter halten es für recht wahrscheinlich, dass die Regierung im Senat die absolute Mehrheit verfehlt. Die kleine Kammer hat 321 Sitze, es gibt 315 gewählte Mitglieder und 6 Senatoren auf Lebenszeit. In diesem Haus waren die Stimmen der ausgescherten Partei Italia Viva für die Politik der Regierung bisher oft entscheidend. Eine absolute Mehrheit dort ist mit 161 Stimmen erreicht.
Das italienische Recht verlangt allerdings bei einer Vertrauensfrage nicht unbedingt das Ja von mehr als der Hälfte der Mitglieder, wie Fachleute erläuterten. Eine Mehrheit beim Votum reicht aus, um durchzukommen. Sollte der 56 Jahre alte Jurist Conte am Dienstag die Machtprobe mit einem schlechten Resultat überleben, könnte die Instabilität in Rom andauern. Seine Koalition dürfte im Parlament dann auf ein buntes Grüppchen von anderen Politikern angewiesen sein.
Für einige wichtige Weichenstellungen, etwa zum Staatshaushalt, sind zudem absolute Mehrheiten notwendig. Staatspräsident Sergio Mattarella hatte mehrfach stabile Verhältnisse in der Corona-Krise angemahnt. Ihm kommt bei politischen Turbulenzen eine zentrale Rolle zu.
In den vergangenen Tagen hatten die Medien des Landes verschiedene Zukunftsoptionen entworfen. Danach wurden auch ein baldiger Rücktritt Contes und vorgezogene Wahlen im Mai oder Juni nicht ganz ausgeschlossen.
Am Montag feierten Vertreter der großen Koalitionsparteien - der Fünf-Sterne-Bewegung und der Sozialdemokraten (PD) - zunächst den Teilerfolg Contes im Abgeordnetenhaus. Die rechte Opposition mit Matteo Salvinis Lega und Giorgia Meloni von den Fratelli d'Italia dagegen forderte eine neue Regierung.
Das 60-Millionen-Einwohner-Land wurde hart von Corona getroffen. Teile der Wirtschaft liegen am Boden. Seit Februar 2020 starben offiziell mehr als 82 500 Menschen im Zusammenhang mit dem Virus. Die Behörden registrierten rund 2,4 Millionen Infizierte. (dpa/Stand: 19.01.2021)