Italiens Zeitungen bewerten Synagogenbesuch als historisch

"Der Papst und die Juden: Es siegt der Dialog"

Der Besuch von Papst Benedikt XVI. in der römischen Synagoge hat die Titelseiten der italienischen Tageszeitungen am Montag bestimmt. Fast einhellig charakterisierten die Blätter das Treffen als "historisch". In den Vordergrund rückten die Zeitungen den Sieg des Dialogs über zurückliegende Spannungen zwischen der katholischen Kirche und dem Judentum sowie die erneute Absage des Papstes an jeglichen Antisemitismus im Namen der Kirche.

 (DR)

Zugleich fand ein Redezitat des Präsidenten der jüdischen Hauptstadtgemeinde, Riccardo Pacifici, breite Beachtung, das Schweigen von Pius XII. zur Schoah sei ein noch immer schmerzendes Versäumnis.

Der in Mailand erscheinende "Corriere della Sera" titelt: "Der Papst und die Juden: Es siegt der Dialog". In den Berichten auf den ersten Innenseiten hebt die Zeitung die Einschätzung von Oberrabbiner Riccardo Di Segni hervor, das Klima zwischen Vatikan und Judentum sei "gelassener" geworden. Laut dem Korrespondenten des Blattes hatte Di Segni den Papst im privaten Gespräch aufgefordert, sich für die Aufklärung der Geschichte jüdischer Kinder einzusetzen, die in kirchlichen Einrichtungen Zuflucht fanden und dort angeblich getauft wurden. Dazu müssten Archive im Vatikan und in Ordenshäusern zur Erforschung freigegeben werden.

Die Turiner "La Stampa" zitiert den Gemeindepräsidenten Pacifici, die Verneigung des Papstes vor ehemaligen KZ-Häftlingen sei eine Geste von epochaler Bedeutung. In einem eigenen Kommentar zieht das Blatt eine zurückhaltende Bilanz: Niemand könne sich zufrieden fühlen. Trotz gefestigter Beziehungen schienen sich "die Schatten nicht zu lichten, die aktuell zwischen der katholischen Kirche und der jüdischen Gemeinschaft liegen".

"Brüder - Ja, aber unterschiedliche"
"La Repubblica" in Rom hebt das Eingeständnis Ratzingers nach oben, angesichts der Schoah seien viele Katholiken gleichgültig geblieben. Den Besuch in der Synagoge und bei den Gedenkstätten für die Deportationen römischer Juden sowie ein Bombenattentat 1982 charakterisierte das Blatt als "Kreuzweg Ratzingers".

Der in Turin herausgegebene "Il Giornale" merkt kritisch an, Benedikt XVI. habe in seiner Rede kein einziges Mal den Staat Israel erwähnt. Ein zweiter Beitrag des Blattes würdigt hingegen das "Tauwetter", das mit dem Besuch eingesetzt habe. Die römische Zeitung "Il Messaggero" stellt die Einschätzung von Oberrabbiner Di Segni in den Vordergrund, das Klima zwischen den beiden Glaubensgemeinschaften habe sich aufgehellt. Der ebenfalls in Rom erscheinende "Il Tempo" titelt: "Brüder - Ja, aber unterschiedliche". Das Treffen habe einen neuen Weg in Respekt vor der jeweils eigenen Identität eröffnet.