Jahrestag des Massakers von Srebenica

"Du sollst nicht morden lassen"

Bundespräsident Joachim Gauck hat das Massaker von Srebrenica vor 20 Jahren als Völkermord und "Versagen der Völkergemeinschaft" bezeichnet. Militärbischof Franz-Josef Overbeck erinnerte zum Jahrestag am Samstag an das fünfte Gebot.

Särge mit Opfern des Völkermordes von Srebrenica liegen am 16.6.15 im Identifizierungszentrum der Stadt Tuzla, Bosnien-Herzegowina (dpa)
Särge mit Opfern des Völkermordes von Srebrenica liegen am 16.6.15 im Identifizierungszentrum der Stadt Tuzla, Bosnien-Herzegowina / ( dpa )

In einem Brief an den Bürgermeister der Stadt, Camil Durakovic, erklärte Gauck: "Nur mit großer Scham kann ich daran denken, dass wir Sie allein gelassen haben: Die internationale Staatengemeinschaft schützte Srebrenica nicht, obwohl Srebrenica doch eine UN-Schutzzone war." An die Gräuel vom 11. Juli 1995 mit schätzungsweise 8.300 Toten erinnerten am Freitag auch Menschenrechtler sowie Vertreter aus Politik und Kirche.

Gauck betonte: "Wir können das Geschehene nicht ungeschehen machen. Aber es liegt an uns, dass das Verbrechen nicht in Vergessenheit gerät. Verbrechen müssen als Verbrechen und Völkermord als Völkermord benannt werden." Auch wenn das UN-Kriegsverbrechertribunal bereits eine Reihe von Verantwortlichen verurteilt habe, seien viele weitere Täter bisher nicht zur Verantwortung gezogen worden.

Overbeck: Fünftes Gebot als Leitwort

Nach den Worten des katholischen Militärbischofs Franz-Josef Overbeck mahnt das Massaker dazu, eine solche Form der Aggression zu verhindern. "Den gezielten Versuch, eine ganze Bevölkerungsgruppe auszuradieren, darf es nicht mehr geben", sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Essen und verwies auf ähnliche Bedrohungen in Syrien und im Irak.

Das fünfte Gebot "Du sollst nicht morden" bedeutet laut Overbeck auch "Du sollst nicht morden lassen". Dies sei ein hochgradig schwieriges ethisches Thema, da Gewalt immer ein Übel sei. Unter bestimmten Bedingungen gebe es aber keine Alternative dazu, mit Gewalt auf Gewalt zu reagieren, um das größere Übel zu verhindern.

Özdemir: Integration wichtig für den Frieden

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir erklärte, der Völkermord "zerstörte fünfzig Jahre nach dem Holocaust die Hoffnung, Europa und Massenverbrechen gehörten nicht mehr länger zusammen". Die Geschichte der EU habe gezeigt, wie wichtig Integration für Frieden sei. "Die Staaten des Westbalkans brauchen daher eine klare EU-Beitrittsperspektive." Özdemir forderte als Konsequenz aus Srebrenica eine «menschenrechtsorientierten Außenpolitik».

Nach Angaben von Amnesty International werden noch immer etwa 1.000 Opfer vermisst; die Schicksale Tausender Verschwundener seien bisher ungeklärt. Die Menschenrechtsorganisation appellierte zudem an den Staat Bosnien-Herzegowina, die Hinterbliebenen zu unterstützen und Vermisste zu suchen und zu identifizieren.

Im Juli 1995 ermordeten Soldaten der international nicht anerkannten bosnischen Serbenrepublik sowie Paramilitärs und Sicherheitskräfte schätzungsweise 8.300 Bosniaken. 30.000 Frauen, Kinder und ältere Menschen wurden vertrieben. Das planmäßig durchgeführte Kriegsverbrechen wurde vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag und dem UN-Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien als Völkermord eingestuft. In einem Zentrum in der Stadt Tuzla in Bosnien-Herzegowina wurden die sterblichen Überreste der Opfer zur Identifikation exhumiert. Sie sollen am 20. Jahrestag in der Gedenkstätte Potocari vor den Toren von Srebrenica beerdigt werden.

 


Quelle:
KNA