Jakobsweg-Pilgerzahlen übersteigen Vor-Corona-Niveau

"Manchmal eng für die Pilger"

Während die Reisebranche gerade unter der Urlauberlast stöhnt, ist man am Ziel des Jakobswegs, in Santiago de Compostela, gut auf die Pilgerströme vorbereitet. Manche Herbergen sind allerdings auf der Strecke geblieben.

Es wird wieder gepilgert! / © Gena Melendrez (shutterstock)
Es wird wieder gepilgert! / © Gena Melendrez ( shutterstock )

  

DOMRADIO.DE: Die Menschen sind wieder in Urlaubslaune, zeigt sich das auch auf dem Jakobsweg und in den Herbergen?

Prof. Klaus Herbers (Präsident Deutsche St. Jakobus-Gesellschaft e. V.): Ja, das zeigt sich eigentlich ziemlich massiv, die Zahlen belegen das: Wir hatten im Mai bei den Pilgerzahlen, die man in Santiago de Compostela feststellt, schon wieder das gleiche Niveau oder sogar ein leicht höheres Niveau als vor der Pandemie, im Jahr 2019. Die Pandemiejahre kann man ja nicht so richtig zählen. Aber es ist ja dieses Jahr auch noch ein Heiliges Jahr in Compostela, aufgrund der Pandemie sogar ein zweijähriges Heiliges Jahr, sodass in diesem Jahr auch noch die großen Ablässe des Jahres 2021 auch im Jahre 2022 erworben werden können.

Pilger auf dem Jakobsweg / © Philippe Glorieux/CIRIC (KNA)
Pilger auf dem Jakobsweg / © Philippe Glorieux/CIRIC ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie bereitet man sich auf diesen Ansturm denn jetzt vor in Santiago de Compostela?

Herbers: Die Infrastruktur ist wieder in vollem Umfang wie 2019 in Santiago de Compostela im Gange. Die Kathedrale ist renoviert, die Zugangsbeschränkungen sind etwas strikter geworden. Das heißt, wenn man in die Gottesdienste will, muss man manchmal eben doch einige Zeit anstehen. Allerdings ist es so, dass man auch die Anzahl der Pilgermessen, die früher nur zweimal am Tag waren, erhöht hat. Also es gibt in spiritueller Hinsicht eine gewisse Ausweitung und man ist auf diese Zahlen schon vorbereitet. Aber es ist natürlich auch manchmal eng für die Pilger.

DOMRADIO.DE: Die Coronajahre waren einschneidend für die Pilgerinnen und Pilger, für das ganze Gastgewerbe. Wie einschneidend waren diese Jahre für die Geschichte des Jakobswegs?

Die gelbe Muschel: Erkennungsmerkmal des Jakobsweges / © bepsy (shutterstock)
Die gelbe Muschel: Erkennungsmerkmal des Jakobsweges / © bepsy ( shutterstock )

Herbers: Für die Geschichte ist das nur eine ganz kleine Episode, wenn man die 1000-jährige Geschichte sieht. Allerdings waren die Einschnitte doch sehr gravierend, gerade was das Herbergswesen betraf. Es gibt ja auch eine ganze Menge Herbergen, die von privaten Leuten unterhalten wurden. Und die haben es finanziell teilweise auch nicht geschafft, sodass eben in den letzten Jahren und Monaten kommerziell betriebene Herbergen zunehmend zum Verkauf angeboten werden. Die kirchlichen Häuser und die von den öffentlichen Einrichtungen betriebenen Institutionen haben es in der Regel geschafft.

DOMRADIO.DE: Einige Menschen haben durch die Pandemie gemerkt, dass sie achtsamer sein wollen, vielleicht auch im Urlaub. Warum ist das Pilgern da gerade so eine gute Idee?

Herbers: Das Pilgern ist sicherlich auch eine gute Idee, jetzt nach der Pandemie, weil man eigentlich im Grunde trotz eines gewissen Massenandrangs auf vielen Wegen dennoch individuell unterwegs ist und in kleinen Gruppen unterwegs ist und damit eigentlich dem Gedanken des Pilgers zu sich selbst, zu Gott zu finden, zu den innersten Dingen zu finden, doch ganz gut gerecht werden kann.

Pilger auf dem Jakobsweg / © Philippe Glorieux (KNA)
Pilger auf dem Jakobsweg / © Philippe Glorieux ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wer jetzt für die Ferien noch überlegt: So eine Pilgerreise auf dem Jakobsweg, das wäre vielleicht was für mich. Wie bereitet man sich am besten darauf vor?

Herbers: Indem man zum Beispiel bei unserer Gesellschaft nachfragt nach den Pilgerpässen, die dort ausgestellt werden, dass man sich die Routen zurechtlegt. Teilweise muss man sich inzwischen in den Pilgerherbergen aufgrund einer Infektions-Prävention anmelden. Und vielleicht ist es auch gar nicht schlecht, nicht nur auf dem Hauptweg dem Camino Frances von den Pyrenäen nach Santiago zu gehen, sondern einen der anderen Wege einzuschlagen.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Jakobsweg

Der Jakobsweg ist ein europaweites Netz von Straßen und Wegen. Seit dem neunten Jahrhundert führt er Pilger vom Baltikum über Polen, Deutschland, die Schweiz und schließlich Frankreich zum angeblichen Grab des Apostels Jakobus ins spanische Santiago de Compostela. Im Mittelalter erstreckten sich die Tagesetappen meist von einem "heiligen Ort", an dem Reliquien verehrt wurden, zum nächsten.

 © Sonja Geus (DR)
© Sonja Geus ( DR )
Quelle:
DR