Sie haben ein Buch über die Erfahrungen von Tierhaltern, Tierärzten und Tierheim-Mitarbeitern veröffentlicht: "Nicht nur dein Tier stirbt". Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erklärt Projektleiter Peter Kunzmann, warum das Thema auch die Kirchen betrifft.
KNA: Herr Professor Kunzmann, was sind die wichtigsten Ergebnisse Ihrer Forschung?
Kunzmann: Das Projekt behandelt zwei Themen. Das eine ist die schwierige Frage, wer über Leben und Tod von Tieren entscheidet. Das betrifft einerseits Tierhalter, die entscheiden dürfen und müssen, was passiert - und andererseits Tierärzte, die mit ihrer Expertise beraten müssen. Unser Ergebnis war, dass beide Seiten die Entscheidung gern an sich ziehen - und dass die jeweilige Lösung eng mit dem zweiten Thema unseres Projekts verbunden ist. Das betrifft die Frage, was der Tod des Tieres für den Menschen bedeutet.
KNA: Nämlich?
Kunzmann: Dieser Prozess verläuft sehr individuell. Man kann kaum von außen darauf schauen und allgemeine Muster finden, etwa: Beim Tod von Katzen ist es anders als beim Tod von Hunden, oder: Nach dem neunten Tier haben sich Halter an den Tod gewöhnt. Jeder Abschied verläuft unterschiedlich.
KNA: Entsprechend vielfältig beschreiben Sie die Bestattungskultur für Tiere.
Kunzmann: Wir haben beispielsweise Tierkrematorien besucht. Der Leiter einer dieser Einrichtungen hat berichtet, dass die allererste Tierasche, die er zu einem Diamanten gepresst hat, von einem Kaninchen stammte. Man würde nicht erwarten, dass ein Tier mit einem Handelswert von zehn Euro jemandem so wichtig wird, dass er ein ewiges Andenken bewahren möchte. Aber mit einem toten Tier dürfen die Menschen machen, was sie wollen - mit einem toten Menschen nicht. Diese Freiheit zur individuellen Gestaltung nutzen viele Menschen.
KNA: Welche Rolle spielen gesellschaftliche Veränderungen in der Beziehung zwischen Mensch und Haustier?
Kunzmann: Ohne Zweifel eine große. In einem anderen Projekt unserer Hochschule haben 92 Prozent der Befragten angegeben, dass sie ihr Haustier als vollwertiges Familienmitglied betrachten. Mit so einer hohen Zahl hätten wir nicht gerechnet.
KNA: Warum ist Trauer um Tiere dann zugleich ein kontroverses Thema?
Kunzmann: Wir sind geneigt, in Schemata zu denken - und zu sagen: Es war doch nur ein Kaninchen. Wer kein Tier hat, kann sich schwer vorstellen, wie individuell die Beziehung zwischen Tier und Halter zu Lebzeiten ist - und wie schmerzhaft der Abschied sein kann. Wir gehen davon aus, dass es furchtbar sein muss, wenn die Mutter von jemandem stirbt, aber wenn es die Katze ist - na ja. Dabei gibt es Menschen, die den Tod ihrer Mutter besser verkraften als den Tod ihres Tieres. Andere bewerten das moralisch - und das führt zu Spannungen.
KNA: Was könnte sich durch Ihr Buch ändern?
Kunzmann: Es wäre schön, wenn Menschen erkennen: Da passiert etwas, das ich von außen schwer beurteilen kann. Ein Beispiel für diese Erfahrung waren unsere Gespräche mit Mitarbeitern von Tierheimen. Sie haben beschrieben, dass sie manchmal massiv um Tiere trauern, die sie nur wenige Tage kannten. Man stellt sich vor: Wenn jemand 14 Jahre mit einem Hund zusammenlebt, wird er Teil des Alltags und der Biografie - und reißt eine Lücke, wenn er geht. Es kann aber auch anders verlaufen. Unsere Aufgabe ist es nicht, Menschen zu erziehen, aber unser Projekt könnte einen Grund liefern, andere in ihrer Trauer zu respektieren, die Echtheit und Tiefe der Gefühle von anderen anzuerkennen.
KNA: Eine breitere Debatte zum Thema gab es zu Jahresbeginn, als das Affenhaus im Krefelder Zoo abgebrannt ist.
Kunzmann: In dieser Debatte ist eine Entwicklung kulminiert, die sich in den vergangenen Jahren beobachten ließ. Unsere Kultur lebt gedanklich aus drei Wurzeln: der biblisch-christlichen, der antik philosophischen und der aufklärerisch-rationalistischen. All diese Kulturen haben den Unterschied zwischen Menschen und Tieren betont. Das hat sich durch das Denken in evolutionären Zusammenhängen verändert: Viele Menschen verstehen sich nicht mehr als einen Gegenentwurf zum Tierreich. Aus dieser Perspektive stehen uns die Affen besonders nah, sie werden oft als Beispiel für Gemeinsamkeiten herangezogen. Wenn diese individuellen Tiere, denen wir viel zutrauen, reihenweise sterben, geht das vielen nahe.
KNA: Die Kirchen betrachten das Thema bislang eher distanziert. Würden Sie sich hier ein Umdenken wünschen?
Kunzmann: Das ist eine schwierige Aufgabe. Es wäre wichtig, das Thema ernstzunehmen - nicht nur, um sich beliebt zu machen. Für viele Menschen ist die Nähe zu Tieren ein wichtiger Teil ihres Lebens. Einen seelsorglichen Umgang damit zu finden, ist vollkommen legitim. Die Kirche kann nicht sagen, das entspricht nicht unserer Tradition, also seid ihr falsch unterwegs. Auch theologisch gibt es einen gewissen Nachholbedarf - dem aber feste Grenzen gesetzt sind.
KNA: Wie meinen Sie das?
Kunzmann: Der Kern der christlichen Botschaft richtet sich an Menschen. Das meine ich nicht überheblich: Tiere sind der Erlösung nicht bedürftig - Menschen aber schon. Gott wird Mensch, stirbt als Mensch und wird auferweckt. In der Bibel geht es um die Beziehung zwischen Gott und Mensch, um deren Störung und deren Heilung. Das kann man nicht beiseite schieben und eine Öffnung für Tiere fordern. Darin liegt eine Herausforderung für die Kirchen: einerseits die zunehmende Verbundenheit zwischen Mensch und Tier ernstzunehmen - und andererseits den Kern der eigenen Botschaft nicht auszuhöhlen.