Ein letztes Mal führt Antonia Moropoulou über die Baustelle, die die wissenschaftliche Baustellenleiterin aus Athen seit fast einem Jahr Tag und Nacht beschäftigt. Vor allem nachts: An ein Arbeiten an der Grabkapelle in der Jerusalemer Grabeskirche während des täglichen Pilgerbetriebs war nicht wirklich zu denken. Auf dem Boden rund um die sogenannte Ädikula ist noch die Restfeuchte zu spüren, die sich im Laufe der Monate unter dem provisorischen Schutzbelag angesammelt hat.
Das Provisorium ist inzwischen verschwunden, so wie auch die koptischen Christen am vergangenen Sonntag aus ihrem provisorischen Baucontainer-Kapellchen wieder an den angestammten Platz auf der Rückseite der heiligsten Stelle der Christen ziehen konnten. An diesem Mittwoch wird das Ende der Restaurierung gefeiert. Das Gebäude geht zurück in die Hände seiner Besitzer und Nutzer.
Historischer Moment
"Ein historischer Moment", sagt Antonia Moropoulou. Solche hat es in den vergangenen Monaten mehr gegeben als in den Jahrzehnten zuvor: Da ist die historische Einigung der drei Kirchen, die sich die Besitzrechte an dem Kapellchen teilen - und die entgegen ihrem eher schlechten ökumenischen Ruf auf einmal Einigkeit bewiesen.
Da ist die Öffnung des Grabes im Innersten des Heiligtums, bei dem, begleitet durch die exklusive Berichterstattung von "National Geographic", erstmals seit mehr als 200 Jahren die Marmorplatte auf dem Grab Christi entfernt und eine zweite, von manchen Experten ins 7. Jahrhundert datierte Platte zum Vorschein kam. Und da ist die Entfernung des eisernen Korsetts, das seit dem Ende der britischen Mandatszeit das Gebäude vor einem Kollaps bewahrte. Erstmals seit 70 Jahren, sagt Antonia Moropoulou, stehe das Gebäude nun "frei und emanzipiert".
Greifbare Geschichte
Historische Momente passen zu dem kleinen Bau, der seit etwas mehr als zwei Jahrhunderten auf den Resten zahlreicher Vorgängerbauten das Allerheiligste der Christenheit umhüllt. Die Schichten der Geschichte, sagt Moropoulou, seien bei den Restaurierungsarbeiten greifbar geworden: "Von Konstantin, der byzantinischen Zeit, den frühen und den späteren Kreuzfahrern, der Renaissancezeit, der Restaurierung durch Bonifazius von Ragusa und der Restaurierung durch den griechischen Architekten Komninos deklariert das Monument, vor dem wir stehen, seine Geschichte!"
Nicht ausgeschlossen, dass der Bau im Herzen des christlichen Jerusalem auch künftig Geschichte schreibt. Da sind die anhaltenden wissenschaftlichen Auswertungen der Arbeiten. Und sind deren Berichte erst publiziert, so hofft und wünscht sich der Chefarchäologe der Jerusalemer Franziskaner, Pater Eugenio Alliata, wird dies die Diskussion unter Fachleuten beleben.
Weltweite Bedeutung
Schon jetzt gab es wichtige Funde: Mörtelproben, entnommen bei der Öffnung des Grabes. Sie stammen laut den griechischen Experten aus konstantinischer Zeit. "Das Grab aus konstantinischer Zeit ist mit anderen Worten das Grab, was wir hier vor uns haben." Und da sind die Pläne der Forscher - eine erneute Einigung der Konfessionen vorausgesetzt -, in einer zweiten Phase den Untergrund der gesamten Rotunde zu stabilisieren. Und der ist nach Einschätzung des Experten Martin Biddle, Archäologe aus Oxford, "eine archäologische Stätte von größter Komplexität und weltweiter Bedeutung".
Zunächst aber wird am Mittwoch der Abschluss von Phase eins gefeiert. "Ein historischer Moment", meint Franziskanerkustos Francesco Patton. Er meint die physische Arbeit, die die Experten aus Athen an dem wichtigen Bau geleistet haben. Dabei haben sie sogar den engen Zeitplan eingehalten. Aber nicht nur. «Historisch» ist auch die gute Zusammenarbeit zwischen den Kirchenführern. Patton: "In gewisser Weise ist diese gute Beziehung wichtiger als die physische Restaurierung - denn wenn Freundschaft und Brüderlichkeit herrschen, gehen wir einen wichtigen Schritt voran."