KNA: Sie nehmen derzeit an der bis Mittwoch in Jerusalem tagenden Konferenz "Friedensstiftung durch eine Kultur des Dialogs" teil, die von der päpstlichen Stiftung "Scholas Occurrentes" gemeinsam mit dem "Harry S. Truman Research Institute for the Advancement of Peace" der Hebräischen Universität Jerusalem veranstaltet wird. Welche Bedeutung messen Sie Veranstaltungen wie der aktuellen Konferenz bei?
Erzbischof Vincenzo Zani (Sekretär der vatikanischen Bildungskongregation): Der Schlüssel ist die Bildung. Wir sind hier, um die Bildung im heutigen Kontext zu reflektieren. Das heißt, über die Globalisierung der Probleme, und um, wie Papst Franziskus es sagt, über die Peripherien dieser Welt nachzudenken. Franziskus unterstreicht, wie wichtig es ist, hinauszugehen - aus unseren Häusern, aus unseren Kirchen - zu jenen, die arm sind, die nicht in die Schule gehen oder in einer unmenschlichen Umgebung aufwachsen. In den Peripherien treffen wir auf jene Jugendliche, die die Zukunft sind. Im Vergleich zu den Jugendlichen, die in den Städten und in guten Verhältnissen leben, sind eher sie bereit, sich zu verändern.
KNA: Warum?
Zani: Wer in der Peripherie ist, trägt eine Verwundung in sich. Diese Wunde ist der Ausgangspunkt für Veränderungen. Wer alles hat, hat diese drängende Wunde nicht, sondern ist gesetzt, in sich gefestigt. Das ist der Schlüssel: Scholas Occurrentes will mit allen Mitteln jenen helfen, die keinen Zugang zur Bildung haben. Dazu gehört die Zusammenarbeit von Universitäten und Schulen, im Bereich der Forschung und Umsetzung.
KNA: Inwiefern kann Religion helfen, Brücken zu bauen?
Zani: Das Problem ist universell und hinterfragt jeden einzelnen, jede Kultur, jede Religion. Religion hat eine große Kraft, weil sie eine Vision hat, beziehungsweise verschiedene Visionen in den verschiedenen Religionen. Jede Religion hat eine Vorstellung von Gott, von dem anderen, vom Gemeinwohl. Hier können wir bei der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Religionen ansetzen, denn die Probleme lassen sich nicht allein auf politischer Ebene beheben, auch wenn die Politik eine große Rolle spielt.
Aber wenn die Politik neutral sein und die Probleme von einer Vision des Menschen trennen will, ist das schwierig. Denn eine der Ursachen des Desasters, das wir erleben, ist die Säkularisierung. Man kann die Probleme nicht lösen, indem man die Frage der Religion und der Transzendenz außen vor lässt. Wir müssen große Brüche überwinden.
KNA: Welche Brüche?
Zani: Den Bruch mit Gott, mit der Transzendenz: Welche Vorstellung haben wir von Gott? Welche Vorstellung haben wir von der Zukunft, die über uns hinaus reicht? Hier geht es um die Hoffnung, um Utopie. Dann als zweites den Bruch mit dem anderen. Dazu müssen wir jede Form von Egoismus überwinden - keiner von uns kann ohne Beziehung zu anderen leben. Auch wenn diese Beziehung schwierig ist: Dies ist unsere Chance, zu wachsen. Der dritte Bruch ist jener mit der Umwelt, etwa mit Blick auf den Klimawandel. Es geht also um die Brüche mit den drei Dimensionen des Menschseins: Der Vorstellung von Gott, die jeder hat, die Beziehung zum anderen und die Beziehung mit der Welt. Und es geht um die Frage, was jeder einzelne an Neuem hervorbringen kann.
Wir haben eine Verantwortung für die Zukunft und für die kommenden Generationen. Es braucht also ein intelligentes Handeln, um denen, die nach uns kommen, eine bessere Welt zu hinterlassen.
KNA: Ein wichtiges Thema der Konferenz ist die Frage des Friedens. In welcher Rolle sehen Sie den Vatikan im Blick auf den Nahostkonflikt und den Friedensprozess?
Zani: Der Vatikan engagiert sich auf allen Ebenen für den Frieden. Man kann sagen, dass dies einer der Zwecke der Religion und der Kirche ist. Der Vatikan ist das Instrument. Wir arbeiten etwa mit den internationalen Organisationen wie der UNO zusammen, aber nicht als ein Land von vielen, sondern eben als Werkzeug der Präsenz in den verschiedenen Ländern in der ganzen Welt, das verschiedene Verantwortungen übernimmt. Wir leisten Hilfestellung und verteidigen die Grundprinzipien, die wiederum die Politik beeinflussen können.
Das Spektrum ist sehr groß, und eines der besten und konkretesten Mittel, um Dinge zu ändern, ist Bildung.
Das Interview führte Andrea Krogmann.