Palmsonntag, Karfreitag, Heiliges Feuer: Wenn mit dem traditionellen Zug Tausender palmwedeltragender Pilger über den Ölberg die erste der zwei Heiligen Wochen am historischen Ort des Geschehens eingeleitet wird, richten sich für einen Moment alle Augen auf das christliche Jerusalem. Neben immer schärferen Zugangsregulierungen dämpfen in diesem Jahr die allgemeine Sicherheitslage und sinkende Pilgerzahlen die Osterfreude.
Yousef Daher, Generalsekretär des "Jerusalem Inter-Church Center", blickt auf die lange Tradition der Osterfeierlichkeiten zurück. Er zeigt Aufnahmen aus der Anfangszeit der Fotografie: Menschenmassen drängen sich vor der Grabeskirche und auf dem Dach des griechischen Patriarchats. Seit Jahrhunderten strömen Christen zu den drei wichtigsten Höhepunkten der Kar- und Ostertage zu Zehntausenden nach Jerusalem.
Absperrungen aus Sicherheitsgründen
Heutzutage, beklagt Daher, gelangten jedoch immer weniger einheimische Christen überhaupt an den Ort des Geschehens. Keine 500, so schätzt der Jerusalemer Christ, schafften es etwa durch die Polizeiabsperrungen hindurch zum griechisch-orthodoxen Feuerwunder zur Grabeskirche. Er zeigt ein Foto aus den vergangenen Jahren: Leere auf dem Kirchplatz, einige israelische Sicherheitskräfte und die charakteristischen blauen Metallbarrieren. Die Absperrungen seien aus Sicherheitsgründen notwendig, so das Hauptargument der israelischen Behörden für die Zugangsregulierungen.
Sicherheit sei natürlich "ein Thema", sagt Daher ausweichend. Manch ein Notausgang etwa sei seit Ewigkeiten wegen Konfessionsstreitigkeiten blockiert. Allerdings - der Christ spricht aus, was viele denken: "In 800 Jahren hat es keine lebensgefährlichen Vorfälle an Ostern gegeben, und Gott wird dies auch nicht zulassen."
Verdrängung alles Nicht-Jüdischen
Israels Sicherheitsargumente - für viele einheimische Christen sind sie vorgeschoben, um andere Motive zu vertuschen. Sie sehen darin Anzeichen für zunehmende israelische Bestrebungen, Jerusalem und besonders die Altstadt zu "Judaisieren", alles Nicht-Jüdische zu verdrängen. Genau das, sagt Jamal Khader, Leiter des Priesterseminars des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem, widerspreche dem "ureigenen Wesen" der Stadt: "Jerusalem hat fünf Komponenten: zwei Völker und drei Religionen. Die Stadt kann nie exklusiv für ein Volk oder eine Religion sein."
Rund 50.000 Christen leben nach Angaben der katholischen Vertreter im Westjordanland, verteilt auf die verschiedenen Konfessionen. Bis jetzt haben die wenigsten von ihnen eine israelische Reisegenehmigung für Ostern erhalten. Eine Praxis, die die Pfarreien aus den Vorjahren bereits kennen. Wie viele nach Jerusalem reisen dürfen, ist ungewiss. Überhaupt seien viele der Genehmigungen wertlos, weil sie etwa auf die Namen längst Verstorbener ausgestellt seien oder, auch das sei eine verbreitete Praxis, nur ein Teil der Familie eine Genehmigung erhalte.
Verschärfter Konflikt um die Zugangsrechte für Christen
Seit mehr als zwei Jahrzehnten verschärfe sich der Konflikt um die Zugangsrechte für Christen "in die heiligste Kirche in der heiligsten Stadt am heiligsten Tag des Jahres", so Yousef Daher und Jamal Khader einhellig. Immer höhere Hürden sollten die Christen vom Besuch der besetzten Stadt abhalten. Das, glaubt Khader, wird sich erst ändern "an dem Tag, an dem wir einen gerechten Frieden haben". Die Kirchen halten dagegen. Für jene, die eine Genehmigung erhalten, organisieren sie Busse, rufen zur Teilnahme an den Feiern auf. "Es ist unser Recht, hier zu sein", sagt Khader.
Angaben zur erwarteten Pilgerzahl zu Ostern gibt es nicht, auch das israelische Tourismusministerium schweigt. Fest steht schon jetzt: Seit dem Gazakrieg im Sommer 2014, vor allem aber seit der seit Herbst 2015 wieder aufgeflammten Gewalt im israelisch-palästinensischen Konflikt ist die Zahl der ausländischen Besucher deutlich zurückgegangen.
Auch bei den Einheimischen spürt man das Zögern. Die Atmosphäre in der Stadt sei "alles andere als angenehm, am Damaskustor sind zeitweilig mehr Soldaten als Passanten", sagt Khader. Die Leute hätten Angst. Früher, so der palästinensische Priester, seien sie einfach mal zum Eisessen nach Jerusalem gekommen. Heute hofft er, dass wenigstens die liturgischen Höhepunkte noch ein Beweggrund sind.