Jesiden bleiben zehn Jahre nach Genozid ohne Perspektive

Begrenzter Zugang zu Basisinfrastruktur

Anfang August 2014 überfielen Terrormilizen des "Islamischen Staats" die im Nordirak lebenden Jesiden. Von dem Völkermord hat sich die Gemeinschaft auch nach zehn Jahren nicht erholt. Ein neues Problem kommt hinzu.

Angehörige weinen, als die sterblichen Überreste von 41 Jesiden, die in einem Massengrab im Sinjar-Distrikt gefunden wurden (Irak, Bagdad, 2024) / © Ameer Al-Mohammedawi (dpa)
Angehörige weinen, als die sterblichen Überreste von 41 Jesiden, die in einem Massengrab im Sinjar-Distrikt gefunden wurden (Irak, Bagdad, 2024) / © Ameer Al-Mohammedawi ( dpa )

Immer noch gebe es mehr als 1,1 Millionen Binnenvertriebene, darunter viele Jesidinnen und Jesiden, beklagte die Hilfsorganisation Care am Samstag. Viele von ihnen lebten in Camps.

Angst vor neuer Gewalt

Trotz aller bisheriger Bemühungen könnten die Betroffenen bislang nicht in ihre nordirakische Heimatregion Sindschar zurückkehren. Bewaffnete Gruppen und die damit verbundene Gewalt stellten dort ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar, so Care. "Insbesondere Frauen fürchten sich immer noch vor Entführungen und Vergewaltigungen."

Außenministerin Annalena Baerbock legt Blumen am Friedhof von Kocho neben Naif Jasim, dem Stammesführer und Repräsentanten der Opferfamilien, nieder (Irak, Kocho, 2023) / © Michael Kappeler (dpa)
Außenministerin Annalena Baerbock legt Blumen am Friedhof von Kocho neben Naif Jasim, dem Stammesführer und Repräsentanten der Opferfamilien, nieder (Irak, Kocho, 2023) / © Michael Kappeler ( dpa )

Jesiden sind eine religiöse Minderheit unter den Kurden. Weltweit hat die monotheistische Religionsgemeinschaft mehrere hunderttausend Mitglieder. Am 3. August 2014 überfiel der "Islamische Staat" das Hauptsiedlungsgebiet der Jesiden in Sindschar. 

Die Terrormiliz verschleppte und tötete Tausende Jesiden. Nach Informationen der Bundeszentrale für politische Bildung befindet sich die weltweit größte Diasporagemeinde der Jesiden in Deutschland: Rund 150.000 Personen gehörten ihr an.

Klimawandel erschwert eine Rückkehr

In ihrer ehemaligen Heimat Sindschar fehle rückkehrwilligen Jesiden immer noch die Grundlage zur Erwirtschaftung ihres Lebensunterhaltes, teilte Care mit. Die Angehörigen der Minderheit hätten nur begrenzten Zugang zu Basisinfrastruktur wie Schulen, Gesundheit oder Märkten. 

Eine aktuelle Studie der Hilfsorganisation zeigt zudem, dass auch die Klimakrise die Menschen daran hindert, sich wieder in ihrer angestammten Heimat niederzulassen. Demnach erschweren die sich ändernden Wettermuster im Irak es ehemaligen Landwirtinnen und Landwirten zunehmend, in Sindschar ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Jesiden

Das Jesidentum ist eine monotheistische Religion, deren Wurzeln bis 2.000 Jahre vor Christus zurückreichen. Sie nahm Glaubenselemente, Riten und Gebräuche westiranischer und altmesopotamischer Religionen sowie von Juden, Christen und Muslimen auf. 

Jeside wird man ausschließlich durch Geburt, beide Elternteile müssen der Religionsgemeinschaft angehören. Niemand kann übertreten oder bekehrt werden. Bei Ehen mit Nicht-Jesiden verlieren Gläubige ihre Religionszugehörigkeit.

Irak, Lalish: Eine Frau entzündet ein Feuer im Shekadi-Schrein während der Feierlichkeiten des Sommer-Arbaeen-Eids / © Ismael Adnan (dpa)
Irak, Lalish: Eine Frau entzündet ein Feuer im Shekadi-Schrein während der Feierlichkeiten des Sommer-Arbaeen-Eids / © Ismael Adnan ( dpa )
Quelle:
KNA