Abschiebehäftlinge dürfen bis zu ihrer Ausreise aus Deutschland nicht in normalen Gefängnissen untergebracht werden, sondern nur in speziell dafür vorgesehenen Einrichtungen mit weniger strengen Regeln. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am Donnerstag entschieden. Sollte ein Bundesland nicht über derartige Einrichtungen verfügen, müssten die Betroffenen in eine solche in einem anderen Land gebracht werden. Die Praxis einiger Bundesländer, die Menschen in diesem Fall in einem Gefängnis mit gewöhnlichen Straftätern unterzubringen, verstoße gegen EU-Richtlinien. Das gelte auch dann, wenn der Betroffene einwilligt.
Konkret ging es um drei Fälle aus Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hessen. In NRW gibt es zwar in Büren bei Paderborn ein spezielles Abschiebe-Gefängnis. Wegen schwacher Belegung werden dort aber auch Häftlinge aus dem Strafvollzug untergebracht.
Flüchtlinge und deren Abschiebung fallen in die Zuständigkeit der Bundesländer. Bislang hat die Mehrzahl der Bundesländer keine solchen Zentren. Die Behörden müssten dann aber die rechtliche Möglichkeit bekommen, die Häftlinge in ein anderes Bundesland zu bringen, so der Europäische Gerichtshof.
EU-Generalanwalt Yves Bot hatte die entsprechenden Regelungen in neun deutschen Bundesländern im Vorfeld als rechtswidrig bewertet. Die Inhaftierung von Abschiebehäftlingen sei kein Strafvollzug. Der Gerichtshof folgt in der Regel dem Schlussplädoyer des Generalanwalts.
Die Organisation Pro Asyl und der Jesuiten-Flüchtlingsdienst forderten als Reaktion auf das Luxemburger Urteil eine sofortige Freilassung von Abschiebehäftlingen aus der Strafhaft. "Der Skandal, dass sehenden Auges jahrelang rechtswidrig inhaftiert wurde, muss nun umgehend beendet werden", so die rechtspolitische Referentin von Pro Asyl, Marei Pelzer. Nach Angaben der Organisation befinden sich unter den Abschiebehäftlingen in Deutschland viele Flüchtlinge mit echtem Schutzanspruch.
"Viele Bundesländer haben europarechtliche Vorgaben ignoriert und Unschuldige wie Verbrecher behandelt", sagte Heiko Habbe vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland. Bis Ende 2010 hätte Deutschland die Vorgaben der EU-Rückführungsrichtlinie umsetzen müssen. "Statt auf neue und teure Abschiebungseinrichtungen sollte jetzt auf Alternativen zur Haft gesetzt werden", so Habbe.
Maria Loheide, Vorstandsmitglied der Diakonie Deutschland, sprach von einem "Meilenstein im Umgang mit ausreisepflichtigen Menschen".
Allerdings könne der Freiheitsentzug "auch in verbessertem Abschiebungsgewahrsam ohne Strafvollzugsregeln unverhältnismäßig sein". Die Betroffenen litten oft "massiv unter ihrer Inhaftierung, psychisch und physisch."