"Dass die Kirche sich nicht aufraffen kann, grundlegende Menschenrechte für homosexuelle Menschen einzuklagen, dass sie es vielmehr zulässt, wenn sogar hohe kirchliche Repräsentanten um Verständnis für kulturelle Traditionen werben, in denen homosexuelle Menschen mit dem Tod bedroht werden, widerspricht dem Evangelium", schreibt Mertes in einem Beitrag für die Saarbrücker Online-Zeitschrift "theologie.geschichte". Insbesondere der Katechismus, das Handbuch der katholischen Kirche zur verbindlichen Unterweisung in Glaubensfragen, enthalte nach wie vor eine große Anzahl homophober Aussagen.
Debatte über Homosexualität und sexuellen Missbrauch
Auch in der Debatte um den sexuellen Missbrauch in der Kirche werde ein Zusammenhang von Homosexualität und sexuellem Missbrauch hergestellt, so Mertes weiter. Viel zu lange habe die strategische Antwort der Kirchenleitung auf die Missbrauchskandale gelautet: "Entfernt die Schwulen aus dem Klerus, dann haben wir keine sexuellen Übergriffe mehr." Dabei hätten Untersuchungen der amerikanischen Bischofskonferenz eindeutig das Vorurteil widerlegt, dass "Priester mit einer homosexuellen Identität eher Kinder sexuell missbrauchen als Priester mit einer heterosexuellen Orientierung".
Mertes ist Direktor des Kollegs Sankt Blasien im Südschwarzwald. Zuvor leitete er das Berliner Canisiuskolleg der Jesuiten, wo er Anfang 2010 Fälle von sexuellem Missbrauch bekanntmachte. Dies löste eine Vielzahl weiterer Veröffentlichungen von Missbrauchsfällen in katholischen, aber auch anderen Einrichtungen aus.