domradio.de: Was sagen Sie zur Pegida-Bewegung in Deutschland?
Jesuitenpater Frido Pflüger: Eigentlich finde ich sie eine erschütternde Bewegung und zwar vor allem, dass dort in Dresden, in Sachsen, wo es sehr wenige Ausländer gibt und sehr wenige Fremde, die Bewegung so stark ist. Ich denke, die Wurzel der Bewegung ist einfach Unkenntnis. Ich merke, dass die Leute sich einfach nicht richtig auskennen, was die Zahlen betrifft. Manchmal werden sie ja auch von der Presse übertrieben dargestellt. Wir müssen sehen, es gibt zurzeit über 51 Millionen Menschen auf der Flucht und von denen kommen jetzt in diesem Jahr vielleicht 200.000 nach Deutschland. Das sind nicht einmal 0,5 Prozent. Wir nehmen also nicht den Großteil der Flüchtlinge auf und wir werden nicht überrannt von Flüchtlingen.
Wir haben nur lange Jahre die Entwicklungen verschlafen und natürlich kamen diese großen Kriege im Irak und in Syrien ein bisschen überraschend, aber eigentlich hätte man seit zwei bis drei Jahren wissen müssen, dass große Zahlen von Flüchtlingen kommen, weil die Menschen ja ein sicheres Leben suchen. Das ist, denke ich, eine der Wurzeln von Pegida, dann auch die fehlende Kommunikation zwischen Regierung und den Leuten über dieses Problem und auf der anderen Seite natürlich über lange Zeit hinweg relativ scharf machende Äußerungen auch von Politikern und das müssen sie jetzt ausbaden.
domradio.de: Bereitet Ihnen es Sorge, dass gerade im Osten des Landes diese Bewegung so stark ist?
Jesuitenpater Frido Pflüger: Nein, Sorge macht es mir nicht richtig, muss ich ehrlich sagen. Ich sehe es mit Beunruhigung und auch Verwundern, aber Sorge mache ich mir nicht. Wenn das Gespräch irgendwann mal wirklich stattfindet und wenn Menschen sich artikulieren, weil sie sich unwohl fühlen, dann ist es ja immer besser als wenn sie in den Untergrund gehen. Von daher mache ich mir jetzt nicht sehr viel Sorgen - wenn das Gespräch möglich sein wird, was zum Teil natürlich auch von Pegida abgelehnt wird und wurde, aber ich denke, dass da auch Entwicklungen kommen werden.
Ich war lange Jahre in Dresden und ich mag die Dresdner unheimlich. Ich war dort an der Schule und ich kenne die Dresdner als Leute, denn sie sagen direkt, was ihnen nicht passt. Sie reden wirklich sehr offen und sehr schnell. Das ist für mich auch ein bisschen die Erklärung, warum das in Dresden so stark ist.
domradio.de: Sie sind viel unterwegs in Deutschland - erleben Sie in Ihren Gesprächen mehr Verständnis für die Flüchtlinge in Deutschland oder eher weniger?
Jesuitenpater Frido Pflüger: Eher mehr! Ich denke - und deshalb habe ich auch nicht so große Sorge -, dass in Deutschland die positive Entwicklung in der Bevölkerung ganz stark voran gegangen ist. Ich denke, manchmal sind die Politiker hinterher und die Leute müssten sie eigentlich zurückholen und sagen, wir sind schon viel weiter. Ich erlebe sehr viel Offenheit, Freundlichkeit, Verständnis, sehr viel Bereitschaft zum Einsatz. Vor wenigen Tagen habe ich noch spätabends einen Anruf auf dem Anrufbeantworter gehabt von einer junger Frau aus Dresden, die sagte, wir sind eine kleine Gruppe von Leuten, wir wollen was machen, kannst Du uns da helfen. Also ich merke, dass überall mehr und mehr Leute sagen, wir wollen die Leute aufnehmen, wir wollen sie gut aufnehmen und das müssten die Politiker wirklich mal verstehen, dass die Leute weiter sind als sie selber.
domradio.de: Was unternimmt der Jesuitenflüchtlingsdienst für die Menschen ohne Heimat?
Jesuitenpater Frido Pflüger: Wir arbeiten ja als internationale Organisation direkt mit den Flüchtlingen in verschiedenen Ländern der Welt, also in etwa fünfzig. Wir arbeiten nach wie vor in Syrien, in Damaskus, in Homs, in Aleppo. Wir haben ein neues Feld aufgemacht in Erbil, im Nordirak. Ein ganz neues Projekt, wo wir mit Menschen arbeiten, die auf der Flucht sind. Ich selber habe lange Jahre in Ostafrika gearbeitet. Die Leute leben ja ewig lang in diesen riesigen Lagern, aber die wollen ja nicht alle zu uns! Ich habe in den Lagern selten Menschen getroffen, die nach Europa oder nach Deutschland wollten. Sie wollen alle heim in ihr eigenes Land. Hier in Deutschland arbeiten wir hauptsächlich in der Abschiebungshaft, wo Leute zurückgeführt werden oder in Europa "rumgeschoben" werden, wegen dem unseligen Dublin-Verfahren. Ich arbeite in der Berliner Härtefall-Kommission, wo es um Leute geht, die schon lange in Deutschland leben und jetzt auf einmal zurück müssen und wir arbeiten auch sehr mit politischen und öffentlichen Stellungnahmen.
domradio.de: Was kann denn jeder einzelne von uns tun?
Jesuitenpater Frido Pflüger: Ich denke, der erste Schritt ist einfach mal sich zu informieren, damit man weiß, was los ist und die Zahlen kennt und dass man denen was entgegen halten kann. Dann denke ich, ist es ganz wichtig, dass man sich mit anderen Leuten zusammen tut, dass man eine Initiative hat. Irgendwo in der Nähe ist inzwischen immer ein Flüchtlingsheim, ein Asylbewerberheim, eine Erstaufnahme, wo man einfach mal hin kann, die Leute besuchen. Wenn man das zu zweit, zu dritt machen kann, denke ich, ist der Schritt auch ein bisschen einfacher. Dass man dann miteinander überlegt, wie können wir konkret den Leuten, die in unserer Nachbarschaft jetzt da sind, wie können wir die willkommen heißen, dass die sich hier ein bisschen wohlfühlen bei uns, denn sie sind ja genau so überrascht, jetzt auf einmal in einer vollständig anderen Kultur leben zu müssen als sie das bisher getan haben. Das ist ja auch eine ganz große Verunsicherung der Asylbewerber, sie sind ja auch rausgerissen aus ihrem alten Umfeld und müssen jetzt was Neues lernen.
Das Interview führte Dagmar Peters.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Weder domradio.de noch das Erzbistum Köln machen sich Äußerungen der Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen zu eigen.