DOMRADIO.DE: Inhaltlich sind der emeritierte Papst Benedikt XVI. und Papst Franziskus beim Thema Zölibat eigentlich gar nicht so weit voneinander entfernt. Ist also eher die Tatsache, dass wir zwei Päpste haben, Grund für die Aufregung?
Ulrich Nersinger (Vatikan-Experte): Das, denke ich, spielt auf jeden Fall mit. Wir wissen alle nicht, was dort geschieht. Aktuell verändert sich fast stündlich die Nachrichtenlage. Aber es zeigt eigentlich ein anderes Grundproblem. Nämlich, dass nicht klar ist, welchem Kodex der emeritierte Papst zu folgen hat und welches Verhalten er sich zu eigen machen muss.
DOMRADIO.DE: Was wäre denn damals die Alternative gewesen, als Papst Benedikt zurückgetreten ist?
Nersinger: Ich denke, es wäre auf jeden Fall besser gewesen, wenn er auf Zeichen und Symbole verzichtet hätte, die mit dem Papsttum ganz klar verbunden werden. Dazu zählt der weiße Habit und die Anrede "Heiliger Vater".
Das bedeutet aber ferner auch, dass der Begriff "Papst emeritus" schon schwierig ist. Das ist ein Begriff, mit dem man sich schwer tut. Das ist ein Novum in der Kirchengeschichte. Das genau zu definieren, ist bis heute nicht gelungen. Ich denke, es wäre besser gewesen, er wäre entweder in den Kardinalsstand zurückgetreten oder er hätte einfach nur als Bischof und Priester weiter in aller Stille gelebt. Er hatte es selber auch eigentlich als klösterliche Abgeschiedenheit bezeichnet, in der er leben will.
DOMRADIO.DE: Als sich Papst Benedikt vom Amt zurückgezogen hat, hatte er eigentlich auch versichert, dass er sich eben nicht zu Papst Franziskus äußern will. Jetzt tut oder tat er es doch. Lässt er es damit an Gehorsam vermissen, den man einem Papst schuldet?
Nersinger: Ja, ich weiß auch nicht, ob es unbedingt er selber ist. Ich denke dabei gerade auch an das Interview mit dem Chefredakteur von DOMRADIO.DE. Ingo Brüggenjürgen sagt: Es spielt natürlich auch immer das Umfeld mit. In der Auseinandersetzung, die wir heute erleben oder die wir in den letzten Tagen und Wochen erlebt haben, spielt und spielte das Umfeld beider Päpste eine Rolle. Dabei möchte ich ganz bewusst "beider Päpste" betonen.
Ich weiß gar nicht, was eigentlich die beiden, also Franziskus und Benedikt selber wollen. Ich denke, da sind auch beide in ihrem Umfeld gefangen. Sie sind natürlich auch in den sozialen Netzwerken, in der Präsenz, die die Päpste bis vor kurzem nicht gewohnt waren, gefangen.
DOMRADIO.DE: Benedikt XVI. hat sich von der Autorenschaft des Buches über Priestertum und Zölibat distanziert, das Kurienkardinal Robert Sarah herausgegeben hat. Wenn nun jemand ein Buch erst mitschreibt und dann sagt: Ich ziehe diese Co-Autorenschaft zurück; wenn man das übersetzt, was bedeutet das?
Nersinger: Wenn man es positiv sehen will, kann man sagen: Es ist unglücklich. Aber ich denke, das ist eigentlich mehr. Jetzt nimmt es die Züge einer Komödie an und zwar keiner guten Komödie. Aber es zeigt auch, dass der emeritierte Papst besser beraten wäre, wenn er sich in öffentlichen Äußerungen zurückhielte. Dazu zählt auch die Gründung von Stiftungen, wie wir sie erlebt haben. Ich denke, das kann nicht seine Aufgabe sein.
Man kann ihm natürlich nicht verbieten, weiter theologisch zu schreiben. Aber ich denke, das wären dann Texte, die man postum, also nach seinem Tod, veröffentlichten sollte. Denn jede Äußerung, die er macht, wird immer im Kontext zum regierenden Papst gesehen. Das kann nicht im Interesse der Kirche sein.
DOMRADIO.DE: Was glauben Sie? Welchen Einfluss wird dieser Papstzwist auf das Amt haben?
Nersinger: Es beschädigt das Amt, ganz klar. Und zwar aus jeder Betrachtungsweise aus - ob man das nun von der konservativen oder progressiven Seite sieht. Es beschädigt generell das Papstamt. So kann es nicht weitergehen. Es wird die Zeit kommen, wo man ein Machtwort sprechen muss, weil nämlich sonst die Kirchen-Krise, die wir doch in gewisser Weise sehen, immer größer wird. Ich sehe da doch die Gefahr, dass das unschöne Dimensionen annimmt. Ich will nicht das Wort "Schisma" verwenden, aber es wird in diese Richtung gehen. Es geht in eine Richtung, die das Ganze für die normalen Gläubigen unerträglich macht. So kann man nicht in der Kirche agieren, und das muss man halt auch deutlich sagen.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.