In der Nacht auf Montag werden zum 92. Mal die Oscars verliehen. Bei den Nominierungen gab es nur wenige Überraschungen: Es gehen die Filme als Favoriten ins Rennen, die seit Wochen die Kritiker- und Branchen-Preisverleihungen in Hollywood dominieren. Die meisten Nominierungen entfielen mit 11 auf den Superschurken-Thriller "Joker". Noch mehr Chancen auf den Hauptpreis dürften aber "Once Upon a Time in Hollywood" und "1917" (je 10 Nennungen) haben.
Erstmals könnte ein Film, der (wenn auch lose) auf Comic-Vorbildern beruht, als Sieger des berühmtesten Filmpreises der Welt heimgehen.
"Joker" und "1917" unter den Favoriten
Bei der Bekanntgabe der "Oscar"-Nominierungen am 13. Januar in Los Angeles jedenfalls fand sich "Joker", in dem Regisseur Todd Phillips die Entwicklungsgeschichte des "Batman"-Widersachers ganz ohne Batman und andere fantastische Elemente erzählt, elf Mal auf der Nominierungsliste.
Die Kontroverse um angebliche Gewaltverherrlichung schadete "Joker" zwar nicht bei den Nominierungen; die Debatte könnte aber bei der Preisverleihung durchaus noch entscheidend sein. Wahrscheinlicher als Sieger hervorgehen könnten zwei traditionellere Filme, die mit jeweils zehn Nominierungen ins Rennen gehen: Quentin Tarantinos "Once Upon a Time in Hollywood" und Sam Mendes "1917".
Vor allem für Tarantino könnte es nach seinen zwei Drehbuch-"Oscars" diesmal zu mehr reichen - zumal sein Film sich seit der Premiere in Cannes hartnäckig an der Spitze der Prognosen gehalten hat. Sam Mendes technisch virtuoser, scheinbar in einer Einstellung gedrehter Kriegsfilm ist dagegen erst spät und ohne große Festival-Premiere ins Rennen eingestiegen, hat in den vergangenen Wochen allerdings viel Boden gutgemacht.
Insgesamt wurden dieses Jahr wieder neun Filme für den Hauptpreis nominiert: Neben die Werke von Tarantino und Mendes Altmeister Martin Scorsese mit "The Irishman", auf den ebenfalls zehn Nominierungen entfielen, gesellen sich unter anderem Taika Waititis Mischung aus Jugenddrama und Nazi-Groteske "Jojo Rabbit", Greta Gerwigs "Little Women"-Version, das Rennfahrer-Drama "Le Mans 66", Noah Baumbachs Scheidungs-Tragikomödie "Marriage Story" und Bong Joon-hos gefeierte Gesellschaftssatire "Parasite".
Mit sechs Nennungen für "Parasite" leistet die "Academy" auch etwas Buße für das Versäumnis, mit Südkorea eine der auf Festivals regelmäßig gefeierten Filmnationen konsequent aus der Kategorie des "Besten fremdsprachigen Films" ausgeschlossen zu haben.
Polnisches Glaubensdrama im Rennen
Dort nimmt es "Parasite" mit Pedro Almodovars "Leid und Herrlichkeit", Ladj Lys "Die Wütenden", dem nordmazedonischen Dokumentarfilm "Land des Honigs" und überraschend auch dem polnischen Gewissens- und Glaubensdrama "Corpus Christi" auf. Bong Joon-ho wurde außerdem auch in der Regisseurs-Kategorie nominiert, wo er allerdings wohl eher nur Außenseiter-Chancen hat.
Abgesehen von der bemerkenswerten Berücksichtigung von "Parasite" hielten sich die "Academy"-Mitglieder mit aus dem Rahmen fallenden Entscheidungen weitgehend zurück. In den Schauspieler-Kategorien tummeln sich viele Veteranen, insbesondere in der Nebendarsteller-Rubrik, in der Brad Pitt gegen die vier bereits "Oscar"-gekrönten Kollegen Tom Hanks, Anthony Hopkins, Al Pacino und Joe Pesci antritt. Erstmals bei den Nominierungen berücksichtigt wurden etwa Scarlett Johansson - diese gleich zweimal, als Hauptdarstellerin für "Marriage Story" und als Nebendarstellerin für "Jojo Rabbit" -, Antonio Banderas und Jonathan Pryce sowie als vergleichsweise "junge Hasen" im Filmgeschäft Cynthia Erivo und Florence Pugh.
Mit seiner vierten "Oscar"-Nominierung insgesamt und diversen Auszeichnungen für seine schillernde "Joker"-Interpretation dürfte zudem Joaquin Phoenix gute Chancen haben, den Preis endlich in Empfang zu nehmen. Wobei sich seine Durststrecke noch bescheiden ausnimmt gegenüber den Wartezeiten der Songschreiberin Diane Warren, die seit 1988 zum 11. Mal in der Auswahl dabei ist, und Komponist Thomas Newman, der im 15. Anlauf für "1917" einmal mehr nach der Trophäe greift.