DOMRADIO.DE: Was ist denn in den kommenden Tagen der Papstreise geplant?
Ludwig Ring-Eifel (Korrespondent der Katholischen Nachrichtenagentur, KNA): An diesem Freitag gab es ja schon die Begegnung mit den Spitzen von Staat, Politik und Gesellschaft. Dann steht noch ein Treffen mit den Leuten aus der Kirche an. Dazu gehört sozusagen das eigene Personal, also die Bischöfe, Ordensleute, Priester und Seelsorger.
Dort wird es auch sicher eine spannende Rede geben, weil die Kirche in Ungarn eigentlich mehrheitlich eher als konservativ gilt, während der Papst bestimmte Aufbrüche fordert.
Am morgigen Samstag ist ein Ereignis ganz interessant, bei dem Flüchtlinge mit dem Papst zusammentreffen werden. Die Flüchtlingspolitik der ungarischen Regierung ist in Europa durchaus umstritten und deswegen ist das einer der spannendsten Punkte, die morgen auf dem Programm stehen.
DOMRADIO.DE: Das Aufeinandertreffen von Papst Franziskus und dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban war vielbeachtet. Was hat der Papst in seiner Rede gesagt?
Ring-Eifel: Das war eine sehr wuchtige europapolitische Grundsatzrede. Der Papst hat, wie er das bereits in früheren Jahren gemacht hat, an die Gründerväter der EU erinnert, an De Gasperi, Schuman, Adenauer. Er hat dafür geworben, deren Vision eines vereinten Europas wieder aufzugreifen, das auch als Friedensstifter in der Welt und eben auch in der Ukraine auftreten kann.
Franziskus hat gleichzeitig dafür geworben, es mit der EU nicht zu übertreiben, also die Eigenheiten der Nationen und der Völker weiterhin gelten zu lassen und nicht so eine Art europäischen Einheitsbrei zu schaffen.
Er hat das ganz interessant ausgedrückt. Es dürfe jetzt nicht so ein flüssiges Europa werden, sondern es müsse auch sehr klare Konturen in den einzelnen Völkern und Nationen haben.
DOMRADIO.DE: Wie kann man insgesamt die Beziehung zwischen Papst Franziskus und dem ungarischen Premierminister Orban beschreiben?
Ring-Eifel: Es war viel Lob für die ungarische Politik und ungarischen Gesetze dabei. Die Ungarn machen eine sehr aktive Familienförderung. Sie treten gegen die Genderideologie ein. Sie verfolgen da eher eine konservative Linie. Dafür gab es Lob vom Papst.
Gleichzeitig gab es aber auch klare Mahnungen, sich an die Verfassung zu halten, sich um die Armen, die Notleidenden und Hilfsbedürftigen zu kümmern, was wahrscheinlich in Richtung der Flüchtlingspolitik abzielt. Es gab beides, es gab Lob und es gab Tadel. Insgesamt war es eher sehr positiv.
Aber die herausragende Persönlichkeit war interessanterweise gar nicht Orban, sondern die Staatspräsidentin Nowak, die jünger ist, die sympathischer ist, die viel gewinnender rüberkommt und mit der sich der Papst offensichtlich sehr, sehr gut verstanden hat.
DOMRADIO.DE: Welche Rolle wird der Samstag spielen?
Ring-Eifel: Da ist zu erwarten, dass der Papst eine Politik fordern wird, die von den Kriterien der Nächstenliebe diktiert wird und nicht von einer Abschottung. Aber wir wissen noch nicht genau, was er sagen wird, aber wir vermuten, dass es darauf hinauslaufen wird.
DOMRADIO.DE: Ein großer Wunsch und immer wieder auch ein Gebetsanliegen des Papstes ist der Frieden im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Wird es in dem Zusammenhang ein Treffen mit russisch-orthodoxen Kirchenvertretern geben?
Ring-Eifel: Es soll angeblich am Rande ein inoffizielles Treffen mit russisch-orthodoxen Vertretern geben. Das ist aber noch nicht offiziell bestätigt. Der frühere Leiter des Moskauer Patriarchat-Außenamtes, Metropolit Hilarion, lebt mittlerweile hier in Budapest als Erzbischof und Metropolit.
Es ist eigentlich kaum vorstellbar, dass die beiden sich nicht treffen. Und natürlich wird dann der Krieg in der Ukraine auch ein Thema sein.
Das Interview führte Bernd Hamer.