Daniel Heinze (Kirchenredakteur für das Bistum Dresden Meißen): Es fühlt sich an wie eine kalte Dusche. Wir sind alle ein bisschen irritiert, wie es zu so einem deutlichen Ergebnis kommen konnte. Irgendwie hat ja jeder geahnt, dass das passieren wird und trotzdem, fühlt es sich blöd an. Es gab an dem Sonntagabend eine spontane Demonstration von Leuten, die friedlich verlief.
Die Menschen wollten ihrem Gefühl Ausdruck verleihen, wie es ausgerechnet in dieser Stadt, die ja dieses gute Image hat, so viele AfD-Wähler gibt. Es ist eine Realität, der wir uns stellen müssen, und es ist vor allem ein Ergebnis, das wir ernstnehmen müssen. Der erste Schock ist nun vorüber und die Motivation, etwas dagegen zu tun, schon wieder groß!
domradio.de: Sie kennen sich ziemlich gut aus, auch im kirchlichen Milieu, das ja immer mehr wächst. Wie erleben Sie die Menschen in den Gemeinden, die ja aus Glaubensgrundsätzen heraus ihr Kreuzchen woanders als bei den Rechtspopulisten machen sollten?
Heinze: Das stimmt. Nun steht der nächste Sonntagsgottesdienst noch aus, wo man vielleicht so ein Stimmungsbild kriegen kann. Aber im Vorfeld kursierte tatsächlich die Annahme, dass auch ein Drittel aller Kirchgänger in Sachsen empfänglich ist für Botschaften der AfD. Das mag sicherlich in einer Großstadt, die einen großen Zuzug aus den alten Bundesländern verzeichnet, nochmal anders aussehen, aber der Trend ist sicherlich ähnlich.
Wenn offensichtlich innerhalb von kirchlichen Kreisen diese sehr einfachen Botschaften einen Nährboden finden, dann ist es nicht mehr an der Zeit zu sagen "Wie könnt ihr nur!" und "Was tut ihr da?". Wir müssen uns vielmehr fragen, wie wir in den Dialog kommen und sprechen können, ohne dass wir einem rechten Flügel gegen den Mund reden.
Auf der anderen Seite müssen wir versuchen, die Menschen mitzunehmen. Es erinnert mich ein bisschen – das mag jetzt kein guter Vergleich sein – an den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche, wo wir ja auch an dem Punkt waren, dass wir Schwestern und Brüder bleiben müssen und damit als Gesamtkirche umgehen lernen und das Ganze aufarbeiten. Nur ist das hier sicherlich eine politische Sache und ganz anders gelagert. Dennoch sind wir Schwestern und Brüder und müssen irgendwie sehen, dass uns politische Fragen nicht zerreißen und aufpassen, dass es keinen Rechtsdruck gibt, der uns als Christen unglaubwürdig macht.
domradio.de: Haben Sie denn diesen rechtsradikalen Nährboden von dem Sie sprechen, persönlich erlebt? Gibt es da ein Beispiel aus einer Gemeinde?
Heinze: Ja, es gibt so Tendenzen. Ich weiß von einer Gemeinde hier aus der Stadt, da hat der Pfarrer sich bei mir bitterlich beklagt, weil er seinen Pfarrgemeinderat nicht überreden konnte, eine Erklärung pro Menschenrechte oder pro Religionsfreiheit zu unterschreiben. In der Gemeinde sollte eine Moschee gebaut werden und man wollte sich mit den muslimischen Schwestern und Brüdern solidarisieren.
Da war der Pfarrgemeinderat so zerrissen und lehnte schließlich ab, da er keinen Islam im Ortsteil haben wolltet. Das sind Zeichen aus einem katholischen Umfeld, gerade in der ehemaligen DDR, wo man ja selbst eine Unterdrückung der Religion gespürt hat. Und das sind Tendenzen, die nicht gut sind.
domradio.de: Auf der anderen Seite gibt es doch sicherlich auch schöne Beispiele. Haben Sie vielleicht auch ein Beispiel von guten Entscheidungen und davon, dass Leute etwas bewegen wollten?
Heinze: Was mir Mut macht ist zum Beispiel die Flüchtlingshilfe in Leipzig, die von Caritas und Diakonie organisiert ist. Seit 2015 macht sie ganz phänomenale Arbeit, beispielsweise die Art und Weise wie sie das ehrenamtliche Engagement koordiniert. Es gibt regelmäßige Newsletter vom harten Kern. Die große Welle mag vorbei sein, aber der harte Kern ist da. Das ist eine tolle Arbeit! Man kann gerade vor den Koordinatoren, aber natürlich auch vor den vielen Ehrenamtlichen den Hut ziehen. Also, das gibt es auch!
Das Gespräch führte Aurelia Rütters.