domradio.de: Wie sehen Sie das aus Pressesicht: Wenn ein Journalist im Vorfeld einer Straftat informiert wird, darf er diese trotzdem zulassen?
Hendrik Zörner: Wenn es sich um eine wirkliche Straftat handelt im Sinne eines kriminellen Aktes: Nein. Da ist ein Journalist dann zuallererst einmal Staatsbürger und erst in zweiter Linie Berichterstatter. Aber wir reden ja hier nicht über eine Straftat, sondern über eine Störung des Religionsfriedens – das ist zwar eine strafbare Handlung, aber ganz weit entfernt von einem Kapitalverbrechen wie etwa Körperverletzung oder möglicherweise sogar Mord bzw. Diebstahl. Das sind Delikte, bei denen Journalisten einschreiten müssen, da dürfen sie sich nicht auf die Beobachterrolle zurückziehen. Im Falle des Kölner Doms bzw. der Störung der Weihnachtsmesse sieht das allerdings schon ein bisschen anders aus.
domradio.de: Sie meinen also, das ist eine Grauzone, wo man als Journalist nicht so ganz genau weiß, wie man sich verhalten soll?
Zörner: Nein, ich sehe das nicht als Grauzone, sondern sogar ziemlich eindeutig als einen Fall, bei dem der Journalist in allererster Linie Beobachter ist, also einer, der über das, was passiert, berichtet.
domradio.de: Eine Kölner Boulevard-Zeitung hatte die Schlagzeile gebracht: "So missbrauchen Aktivisten unseren Dom". Andererseits hatte sie extra einen Fotografen im Dom, um den Vorfall genau mitzubekommen. Der Fotograf war wohl im Vorfeld informiert worden. Wie seriös ist ein solches Vorgehen für Sie als Journalist?
Zörner: Sie haben ja selbst den Ausdruck Boulevard-Zeitung verwendet, wir können ja ruhig den Namen nennen: Das ist der Express, das ist ein Boulevard-Zeitung, die mit den Mitteln des Boulevard-Journalismus ihre Berichte schreibt. Da haben wir eine etwas andere Art von Journalismus als etwa in der Tageschau oder in der FAZ. Das ist aber ein völlig legitimes Mittel des Boulevard-Journalismus, so zu titeln, und natürlich will der Leser auch Bilder sehen. Aber auch die Leser seriöser Zeitungen wollen das, und da sehe ich überhaupt kein Problem.
domradio.de: Sollte es denn den Aktivisten nicht mehr um die Sache und weniger um das Medienecho gehen?
Zörner: Ohne die Presse hätte der Vorfall wahrscheinlich wirklich nicht stattgefunden. Aktionsformen wie die von Femen, aber auch von anderen Organisationen und Gruppierungen, leben davon, dass Medien dabei sind und dass Medien darüber berichten. Würden die Medien das nicht tun, gäbe es wahrscheinlich diese Aktionsformen nicht.
domradio.de: Immer wieder gibt es Diskussionen darüber, wie weit Journalisten bei der Berichterstattung gehen dürfen. Wie groß ist denn generell die Gefahr bei solchen Protestaktionen, dass Journalisten instrumentalisiert werden?
Zörner: Diese Gefahr gibt es durchaus. Und das ist dann auch der einzige Punkt bei der Veranstaltung von Weihnachten, den ich da ein bisschen kritisch anmerken würde, nämlich dass Journalisten aufpassen müssen, inwiefern sie sich möglicherweise sogar missbrauchen lassen von Veranstaltern aller möglichen Aktionsformen – da müssen Journalisten darauf achten, dass sie nicht Teil des Spiels werden, sondern dass sie zuallererst einmal Beobachter sind.
Das Interview führte Christian Schlegel.