Jugendliche debattieren auf jüdischem Kongress über Terrorgefahr

"Man muss Lösungen finden"

Er gilt als größtes deutsches Forum für junge jüdische Erwachsene: der Jugendkongress der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Diesmal diskutierten 400 Teilnehmer über Terror und interreligiösen Dialog.

Autor/in:
Thomas Klatt
Junger Mann mit Kippa / © Paul Zinken (dpa)
Junger Mann mit Kippa / © Paul Zinken ( dpa )

Zunächst war die Stimmung ausgelassen: 400 Jugendliche feierten gemeinsam das Purim-Fest, eine Art jüdischen Karneval. Doch das Thema des Beisammenseins, das am Montag zu Ende ging, war ernst: Der Jugendkongress der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland stand unter dem Titel "Terrorgefahr - der islamische Fundamentalismus." Das Fazit der Teilnehmer: Austausch statt Angst.

Kongressthema mit Bedacht gewählt

Er kenne einige Leute, die überlegten, auszuwandern, sagte ein Teilnehmer aus dem Rheinland. Aber: "Aus Angstgründen von hier nach Israel auszuwandern, macht keinen Sinn." Eine junge Frau aus Bayern ergänzte: "Ich sehe Deutschland als mein Land an. Ich möchte nicht, wenn es dem Land schlecht geht, einfach abhauen. Man muss Lösungen finden."

Das Kongressthema war mit Bedacht gewählt. Es gehe nicht darum, junge Menschen zu verunsichern, erklärte der Präsident der Zentralwohlfahrtsstelle, Abraham Lehrer. Aber man dürfe die Augen nicht vor den wachsenden Problemen verschließen: "Ich weiß nicht, ob sie sich mehr damit auseinandersetzen müssen als Nicht-Juden. Aber ich glaube, Juden haben ein besseres Feingefühl, eine größere Empfindlichkeit für diese Dinge, weil Juden im Laufe ihrer Geschichte immer wieder verfolgt und angegriffen worden sind."

Terrorexperten referierten

Über das brandaktuelle Thema referierten viele hochrangige Terrorexperten. Der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, sprach über die derzeitige Gefahr von Anschlägen in Deutschland. Ziel der Terroristen sei es vor allem, Verunsicherung zu verbreiten, betonte er: Die Miliz "Islamischer Staat" (IS) nutze dafür auch das Flüchtlingsthema gezielt.

Das BKA kennt nach Angaben seines Präsidenten aktuell 471 Gefährder, von denen eine unmittelbare Bedrohung ausgehe; es gebe rund 320 Einzelhinweise auf eine konkrete Terrorgefahr. Das Problem aber sei, dass oftmals gezielte Desinformationen verbreitet würden, so Münch, denn der Terror finde auch in den sozialen Medien statt.

Auch versuchten salafistische Gruppen, Sympathisanten unter Flüchtlingen zu werben. Deren Anfälligkeit sei jedoch "bislang nicht sehr groß". Vielmehr gebe es "viele Personen, die Brüche in ihrem Leben erlebt haben, die nach Anschluss, nach Halt suchen", erklärte Münch. "Das alles ist auch ein Nährboden für Radikalisierung".

Mahnung zur Integration von Flüchtlingen

Peter Neumann, Terrorismusexperte am Londoner King's College, mahnte dennoch zur Integration von Flüchtlingen. Typischerweise sei nicht die erste Generation von Einwanderern empfänglich für radikales Gedankengut, sondern deren Kindern. "Wenn das mit der Integration nicht klappt in den nächsten fünf bis zehn Jahren, gibt es eine Frustration, die sich in Richtung des Salafismus oder des dschihadistischen Salafismus lenken lassen kann", warnte Neumann.

Auch unter jungen Juden gebe es eine große Bereitschaft, sich für Flüchtlinge einzusetzen, betonte der Präsident der Europäischen Union jüdischer Studenten, Benjamin Fischer. Sie hätten oftmals einen guten Zugang zu arabischen und muslimischen Flüchtlingen - und mit Flucht, Vertreibung und Integration kenne man sich bestens aus.

Freiwilligendienst in Deutschland

Im vergangenen Jahr hat die Zentralwohlfahrtsstelle ein Pilotprojekt gestartet, bei dem israelische Jugendliche einen Freiwilligendienst in Deutschland leisten. Gerade syrische Flüchtlinge seien in ihrer Heimat mit einer anti-israelischen und anti-jüdischen Schulbildung und Propaganda groß geworden, hieß es. Nun wolle man diese Stereotype aufbrechen helfen, erklärte Laura Ester Cazes, die den Freiwilligendienst koordiniert.

So könnten beispielsweise "arabische Israelis in Deutschland einen Freiwilligendienst leisten und Flüchtlinge bei der Integration unterstützen. Dabei könnten sie zugleich ein vielfältiges Bild von deutsch-israelischen Beziehungen vermitteln", erläuterte Cazes. Sie verwies auf Gemeinsamkeiten: "Es gibt auch Muslime in Israel, die ein Leben in einer Demokratie führen."


Quelle:
KNA