"Ohne Fernsehen kein Weihnachten"
Die meisten Häftlinge werden die Feiertage allerdings in ihrer Zelle verbringen und dann vielleicht ein paar Plätzchen knabbern, die Stephan N. und andere in der gefängniseigenen Bäckerei gebacken haben. "Wenn man keinen Fernseher hätte und daher wüsste, dass Weihnachten ist, würde das an einem vorbei gehen", meint der 21-Jährige, der seit acht Monaten wegen Betrugs im Herforder Jugendgefängnis sitzt.
Zwischen Brot und Kuchen, zwischen Christstollen und Keksen ist die Stimmung in der JVA schon ein bisschen weihnachtlich. Gerade sind die Stutenkerle fertig geworden. Leider sind sie für den Verkauf nach draußen bestimmt. Stephan und sein Mithäftling Michael H. dürfen zum Nikolaus allerdings schon mal einen von den flachen Teigkerlen mitnehmen.
"Ich würde gerne mit der Familie feiern", sagt Michael leise und mit gesenktem Kopf. Doch darauf wird er noch fünf Jahre warten müssen.
Denn der 23-Jährige sitzt eine Strafe wegen Totschlags ab. Vielen wird erst im Gefängnis bewusst, was sie an Familie und Weihnachten haben, erzählt Friedrich Waldmann, Leiter der JVA Herford.
Weihnachten hat seinen Platz - bei manchen
In den Gefängnisabteilungen, in denen das Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen den Gefangenen nicht so stark ist, wird das Fest eher nüchtern ausfallen, so Waldmann. Doch in anderen, wie hier in der so genannten Behandlungsabteilung mit ihrem krankenhausgleichen Flur und den blauen Zelltüren, hat Weihnachten regelmäßig seinen Platz. Hier sitzen die schweren Fälle ein, die Mörder und Vergewaltiger, die von Psychologen und Sozialarbeitern betreut werden.
Sie können sich auf der Etage frei bewegen. Sie planen die einige Tage vor dem eigentlichen Fest stattfindende Weihnachtsfeier eigenständig, suchen das Essen aus, sammeln Geld für den Einkauf der Lebensmittel, stellen die Tische vor den Zellen auf, kochen und backen. Auch für die Vollzugsbeamten ist Platz an der Tafel. Anschließend spielen Häftlinge und Bedienstete gemeinsam oder singen wie im vergangenen Jahr Karaoke.
Stress? "Das ist genau wie draußen"
Alles scheint sich hier auf diesen einen Tag im Jahr zu freuen. Auch wenn dann alles durcheinander rennt und jeder gestresst ist. "Das ist genau wie draußen", meint der Gefängniswärter Axel Weber. Sein Kollege Sebastian Momma kennt allerdings die Schattenseite der Festtage im Knast. "Man geht Weihnachten mit gemischten Gefühlen zum Dienst", gesteht der 34-Jährige, "weil an diesen Tagen die Neigung der Gefangenen größer ist, sich etwas anzutun."
So wie im vergangenen Jahr, als ein Häftling seine Matratze anzündete und zwei Bedienstete dabei verletzt wurden. "Ich bin dann immer aufmerksamer, was Stimmungsschwankungen bei den Jungs angeht." In der Tat: Einerseits freue man sich auf die Feiertage, bekennt Stephan, aber wenn man an die Familie denke und an seine Taten, gerate man in eine "Depri-Phase".
Jugendliche im Gefängnis feiern Weihnachten mit gemischten Gefühlen
Wenn im Knast Karaoke gesungen wird
Dem Besucher schlägt eine nüchterne Atmosphäre entgegen. Der Flur im oberen Geschoss der Justizvollzugsanstalt (JVA) Herford hat den Charme eines Krankenhauses. Nur wenig Licht fällt in den Gang, die schweren blauen Türen zu den Zellen rechts und links wirken bedrohlich. Kaum zu glauben, dass hier in einigen Tagen Weihnachten gefeiert wird. Schnitzel wird es geben und wahrscheinlich auch Pommes. Dazu Kartoffel- und Nudelsalat. Ein Festessen für die jugendlichen Insassen.

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