"Wer bin ich, dass ich Homosexuelle verurteile?" - Papst Franziskus. "Ich weiß, dass homosexuelle Menschen auf ein Wort warten, das für sie ein Stück Anerkennung und Achtung ist." – Erzbischof Heiner Koch. "Jeder Jeck ist anders" - Rainer Maria Kardinal Woelki. Es ist ein neuer Ton, der in der katholischen Kirche gegenüber Schwulen und Lesben angeschlagen wird. Eine homosexuelle Neigung wird von der Kirche nicht verurteilt. Der Lehre widerspricht nur das Ausleben dieser Neigung.
Was denken aber Homosexuelle selbst über die Kirche? Wie bringen Sie ihr Leben und ihren Glauben in Einklang? Wir haben Teresa (25) und Cristiana (29) getroffen. Sie sind katholisch und leben in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.
Wenn man sie sieht merkt man sofort: Da haben sich zwei gefunden. Man merkt es an kleinen Gesten und Blicken, am Umgang miteinander. Teresa mit den langen roten Haaren und dem offenen, extrovertierten Wesen, und die rassige, laute Brasilianerin Cristiana. Die beiden passen schon ziemlich gut zueinander. Hier sind einfach zwei Menschen, die sich lieben.
Kennengelernt haben sich Teresa und Cristiana vor zehn Jahren in Brasilien. Teresa war auf Schüleraustausch dort und hat bei Cristianas Familie gewohnt. Beide hatten zu diesem Zeitpunkt schon Beziehungen mit Männern, aber irgendwie, sagen sie, habe immer etwas gefehlt. Eines Abends, beim Portugiesisch lernen, sind sich die zwei Frauen dann nähergekommen. Sie merken sofort: Genau das hat gefehlt, dieser andere Mensch. Auch wenn der eine andere Frau ist.
Was sagt die Kirche?
Dr. Andreas Heek ist zuständig für die Homosexuellen-Seelsorge im Erzbistum Köln: "Eine sexuelle Neigung wird von der Kirche nicht verurteilt. Auch das Zusammenleben von zwei Frauen oder zwei Männern ist für die Kirche kein Problem. Nur das Ausleben der Sexualität wird zum Haken. Wenn sie aber wie zwei gute Freunde zusammen leben, ist das eigentlich kein Problem"
Alles das ging auch Teresa und Cristiana durch den Kopf. Sie selber wussten relativ schnell, dass sie ihr Leben zusammen verbringen wollen. Gerade für Cristianas Familie war das aber nicht so leicht zu akzeptieren. "Weil meine Eltern Angst um meine Zukunft hatten," sagt Cristiana. Es hatte weniger mit eigenen Vorurteilen der Familie zu tun. Die brasilianische Gesellschaft ist weniger tolerant gegenüber Homosexuellen als die deutsche. "In Brasilien würden wir nie auf der Straße Händchen halten oder uns küssen. Freunde von uns wurden deshalb schon auf offener Straße zusammengeschlagen."
Gemeinsames Leben in Deutschland
Auch das war ein Grund weshalb das Paar beschlossen hat, ihr gemeinsames Leben in Deutschland zu verbringen. Nach dreieinhalb Jahren Fernbeziehung ist Cristiana zu ihrer Freundin hier nach Deutschland gezogen. Die Gesellschaft hier, sagt sie, schert sich herzlich wenig um die sexuelle Orientierung ihrer Mitmenschen
Für die katholische Kirche ist Seelsorge für Homosexuelle schon länger ein Thema. Seit knapp zehn Jahren gibt es in Köln eine Homosexuellen-Seelsorge, die Planungen gehen noch viel länger zurück. Ins Leben gerufen wurde dieses Engagement von Joachim Kardinal Meisner, der merkte, dass dies den Gläubigen in seinem Bistum ein Anliegen ist. Dieses Jahr wurde auch erstmals im Erzbistum ein Studientag Homosexualität durchgeführt, der sich dem Thema auf psychologischer und theologischer Ebene angenähert hat. Referenten waren auch Teresa und Cristiana. Die Reaktionen auf diesen Tag waren durchweg positiv.
"Das war ein guter Tag", sagt Teresa. Obwohl es in der katholischen Lehre Probleme für sie gibt, ist der Kontakt von Mensch zu Mensch in der Kirche kein Problem. Und das ist für sie auch wichtig. Der Glaube spielt für beide eine große Rolle. Jeden Abend wird gemeinsam gebetet, auf deutsch und auf portugiesisch. Viel Kontakt haben sie mit der Fokolar-Bewegung. Viele Freunde von ihnen sind dort aktiv. Mit denen waren sie auch schon gemeinsam im Urlaub. In die Messe gehen die beiden eher selten. Was aber auch damit zu tun hat, dass die Gottesdienste hier etwas weniger "lebendig" seien als in Brasilien, sagt Cristiana.
Dialog als Ziel
Wenn sich der Ton der Kirche gegenüber Homosexuellen ändert, die Lehrmeinung aber nicht, was ist dann das Ziel der Seelsorge oder solcher Studientage? Antwort: Dialog. Die Kirche will verstehen, was Schwule und Lesben bewegt. Was sie von ihren Gemeinden und der Kirche erwarten und was sie sich erhoffen. Dieser Dialog findet statt. Inzwischen auch auf politischer Ebene. Es gibt Arbeitsgruppen zwischen dem Erzbistum Köln und verschiedenen Schwulen- und Lesbenverbänden. "Das ist aber kein Grund zur Euphorie", sagt Dr. Andreas Heek. Von beiden Seiten werden große Hoffnungen in diese Treffen gesetzt. "Uns ist wichtig zu sagen: Es geht erst mal nur um den Dialog."
Dialog hin oder her – würden Teresa und Cristiana kirchlich heiraten, wenn sie die Möglichkeit hätten? Nein. Sie haben sich jetzt für die eingetragene Lebenspartnerschaft entschieden und würden jetzt nicht noch mal "zurückgehen". Sie hoffen beide, dass die Kirche irgendwann Homosexuelle uneingeschränkt akzeptiert. Ob es noch zu ihren Lebzeiten passiert, da sind sie sich nicht so sicher. (Renardo Schlegelmilch)
(Erstaustrahlung: 31.10.2015)